Jedanke im Treibsand
10 Tage nach Ahrdorf
(aufgeschrieben von Christiane Storck am 20.06.06)

Schon ein komisches Gefühl: Ich sitze derzeit vor meinem PC und versuche, die Gedanken, die mir nunmehr seit 10 Tagen durch den Kopf schwirren, zu Papier zu bringen.

Ne Sumpf us Jeföhle, die Du du su no nit kannst….

Heute ist Dienstag, der 20. Juni 2006. Nicht nur, dass schon wieder knapp die Hälfte dieses Jahres vorbei ist – nein! So wie ich das ganze einschätze, sind auch die besten drei Tage für dieses Jahr schon vorbei.
In den letzten Tagen ist sehr viel geschrieben worden über unser Fantreffen in Ahrdorf: 27 Leute, die sich größtenteils nur über das Internet kannten, treffen sich irgendwo am Rande jeglicher Zivilisation („hast DU Netz?“) in einem stillgelegten Bahnhof in der Eifel.
Schon merkwürdig: Zum einen, weil ich normalerweise eher zurückhaltend bin, was die Bekanntschaft neuer Leute angeht, zum anderen, weil ich aus wichtigen Gründen meine Teilnahme noch kurz vor den Fantreffen auf der Kippe stehen sah.
Schon da gingen die ersten zwiespältigen Gefühle los: Auf der linken Schulter saß der Teufel, der immerzu fragte: „ob das alles so richtig ist? Irgendwo hinfahren und dann auch noch mit jemandem, den Du überhaupt nicht kennst? Solltest Du nicht doch besser zuhause bleiben? Du wirst hier doch mehr gebraucht!“
Auf der anderen Schulter saß das Engelchen: „Hey Tarna, Du hast Dich so gefreut auf dieses Wochenende!“ Dann wieder der Teufel: „Bist Du sicher, dass Du das nicht bereuen wirst? Du kennst da niemanden!“ Der Engel meinte dazu: „Doch, Du hast mit allen schon mal geschrieben. Außerdem sind die genauso verrückt, wie Du!“

Gut, dass ich dem Engel Recht gegeben habe.

Schon die erste Begegnung mit dem ersten unbekannten BAP-Verrückten auf einem Parkplatz an der A 30. Treffpunkt sollte um 11 Uhr sein. Um 10:50 Uhr fuhr ich auf den besagten Parkplatz. Tja, da stand jemand mit dunklem Auto, das hatte aber Bochumer Kennzeichen. Ok, der kann’s nicht sein, oder doch?
Ich stellte mein Auto ab, Motor aus. Derjenige, der da stand, kam mit Grinsen auf mein Auto zu! War er das vielleicht doch? Ich kannte ja kein Bild! Nur den Nicknamen und zu dem Nicknamen passte derjenige nicht so wirklich (ich hoffe, dass er mir das jetzt nicht übel nimmt ;-)). Aber wie sich der Mensch doch irren kann.
Als ich aus dem Auto stieg, schallte mir ein fröhliches „guten Morgen“ und das Statement „rote Haare und Gitarre im Auto: das kann nur Tarna sein“ entgegen.
Das Eis war gebrochen.

Ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben war, aber vor lauter Sabbelei habe ich nicht mitbekommen, dass wir unser Ziel erreicht hatten.
Mit einem Mal fuhren wir durch die Eifel und suchten das kleine Örtchen Ahrdorf.

Gut, auch dieses klappte reibungslos und den Teufel auf meiner Schulter hatte ich nunmehr endgültig in der Ahr versenkt

Wir waren die ersten, die am Bahnhof ankamen. Wir stiegen aus, und ich fühlte mich, wie in meiner Kindheit: absolute Zeltlageratmosphäre.

Wir fingen an, alles zu erkunden, betraten fast als erstes die geheiligten Hallen, in denen wir die Fotos der damaligen Proben unserer Jungs entdeckten. Weiter ging’s auf Erkundungstour nach unseren Schlafmöglichkeiten. Als wir diese entdeckt hatten, musste ich laut lachen.

Hatten meine Leute zuhause doch Recht behalten? „Fahr Du man zu den Hippies abrocken…“, wurde mit vor Abfahrt gesagt. Jetzt stand ich in einem Schlafgemach und diese Riesenspielwiese mit drei Matratzen nebeneinander erinnerte mich an diverse Fernsehberichte über die Kommunen in den 60ern.

Während der Erkundungstour kamen uns die nächsten BAPler entgegen. „Das Gesicht kenne ich“, schallte es mir auf der Treppe entgegen. Kurzes Hallo und dann die Feststellung, dass es doch sehr warm war. Jetzt nen Bierchen? Gute Idee! Gesagt – getan!
Während des Biergenusses unterhielten wir uns zunächst über das Forum. „es gibt ja manche, die wohnen da“, so das Statement. Ich musste wieder grinsen. Auch das stimmte!
(wenn ich über die letzte Woche nachdenke, dann hab ich meinen zweiten Wohnsitz mittlerweile auch dort angemeldet!)

Nach und nach trudelten alle ein. Aber niemand war fremd, was ich als sehr angenehm empfand. Auf der anderen Seite erschreckte es mich ein wenig! Wie kann das sein?
Naja, nicht weiter drüber nachdenken, sondern einfach nur genießen.

Ich habe es genossen. Und ich genieße es immer noch.

Ich möchte an dieser Stelle meinen Erlebnisbericht verkürzen, das schon so viele Berichte und Statements abgegeben wurden zu dem Besuch von Wolfgang, zur Ausstellung in Kronenburg, zur Gitarren- bzw. Banner-Kunst-Mal-AG und auch zum Konzert in Recklinghausen.
Das Erlebnis war für alle dasselbe. Nur die Gefühle und Erinnerungen sind anders.

Es gibt so viele kleine Erinnerungen, die ich mit den Tagen in Ahrdorf verbinde. Natürlich sind es die großen Ereignisse auch (die ich schon oben genannt habe!). Aber viel wichtiger sind die kleinen Erinnerungen:
-  Jonasmami, die im Campingstuhl mit Sonnenschirm saß und unser „Verdamp lang her“ mit Querflöte begleitete, zwischendurch der frohe Ausruf: „Ich habe gerade improvisiert!“
- Thommy, der sich, als er ankam, nach nichts mehr sehnte als nach ner Dusche und dem ich beim Eröffnungsspiel dusselige Fragen zum Thema Fußball beantworten musste
- Jessy, die sich nach der Ankunft lediglich Zeit für eine kleine Tasse Kaffee nahm, um dann erstmal die Zimmerverteilung zu machen.
- Siklee, die nichts davon mitbekommen sollte, dass wir sie bei den Dankeschön-Geschenken auch bedacht haben (wie lasse ich die Karten unterschreiben, ohne dass sie merkt, dass es drei Karten und nicht nur zwei sind!)
- die winzig kleinen Augen von Eastwood, als er am Samstagmorgen aus dem Zelt krabbelte und ich ihm ein fröhliches „Guten-Morgen“ entgegen warf und der nur sein Gesicht verzog und meinte: „nicht so laut“
- Kalle, mit dem ich (zwar ungeplant, aber dafür umso genialer) zweistimmig „Nothing else matters“ geträllert habe
- Ulli mit weißem Oberhemd, den ich gefragt habe, ob er zur Erstkommunion kommt
- Krentschman, der sich hinter die Torwand stellt, um uns beim Torwandschießen zu fotografieren (DAS IST MUT!)
- Oettel’s Gesicht, als wir zusammenstanden und mit einem Male ihr Fred unbemerkt hinter ihr stand und das Aufjuchzen, als sie ihn dann doch endlich bemerkt hatte
- Kläni, die eindringlich erklärte, dass Lyoner keine normale Fleischwurst sind (den genauen Unterschied habe ich als Niedersachse immer noch nicht verstanden)
- Lederschnecke, die mir die schönste Mütze verkauft hat, um die mich mittlerweile alle beneiden (dat is minge BAP-Kapp)
- der Pauker, den zunächst keiner kannte und dem ich am Freitag zunächst erklären musste „was ist das Forum?“ (Pauker, nicht nur anmelden, sondern auch aktiv dabei sein! Du kennst uns doch jetzt alle. Wir beißen nicht, wollen nur spielen!)
- und und und …………

Ich habe nicht alle aufgezählt, aber alle haben einen ganz festen Platz in meinem Herzen eingenommen.

In der vergangenen Woche hat mir ein sehr schlaues Forumsmitglied im Messenger geschrieben:
„Mit Leuten in einem Internetforum Blödsinn zu schreiben und Spaß zu haben, ist das eine. Etwas ganz anderes ist es, diese Leute kennen zu lernen und dazu bereit sein, für sie durch’s Feuer zu gehen!“

Wenn derjenige wüsste, wie sehr er doch Recht hat!

Seit Ahrdorf sind nun mittlerweile 10 Tage vergangen:
Et is vill passiert sickher: der Alltag hat uns alle wieder mit Arbeit und Familie, die Fußball-WM läuft und Deutschland steht im Achtelfinale, das nächste Event wird geplant und im Forum schreiben wir uns alle die Finger wund und wohnen noch mehr da als vorher schon ;-)

Dennoch waren diese drei Tage mit Euch in Ahrdorf das schönste Erlebnis, das ich seit langer Zeit hatte. Danke für alles! Danke, dass es Euch gibt!

“…the summer of 2006. Those were the best days of my life!“