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Karlsruhe, 6. Juni 2016
Schwarzwaldhalle

Ein Bericht von Spike

War das ein Brett gestern Abend! ... Mein Heimspiel in KA ... wieviel wurde da vor der Tour spekuliert ob BAP noch rocken kann und wie das wohl in einer komplett bestuhlten Halle funktionieren soll ...

Nun, die Halle stand wie ein Mann, als die Jungs und das Mädel zu den Domglocken auf die Bühne kamen und gleich in die Vollen gingen - drei Mitklatsch-Rocker aus Steinzeit und Mittelalter am Stück, dann zurück zu Da Capo, meinem ersten BAP-Konzert 1988, 10 Jahre nicht mehr in der Setlist gewesen, und dann noch die "Visitenkarte" ("Dunn mer dä Jefalle!") ... ein Auftakt, der keine Fragen offen ließ ...
Und man saß dann erst wieder hin, als Ulle auf der Akustischen das altbekannte Finger-brech-Intro inzwischen wunderbar mit Ausdruck, Kunstpausen und allem, was Stimmung zaubert, präsentierte - und es mit einem Szenenapplaus gelohnt kriegte, um danach dem lautstarken Publikums-Chor zu lauschen, den Wolfgang in Karlsruhe problemlos alleine singen hätte lassen können ... die Zeitreise zog die bis hinten gefüllte Halle komplett in ihren Bann und wir balancierten mit karierten Zebras und blonden Feen auf dem Äquator ... um dann nach Sönke's Überleitung auf den tiefen Toms (der einzige Moment, an dem mir gestern Rhani fehlte, der diesem Trommelgewitter in Stuttgart noch mehr Wucht, Tiefe und Farbe gab) sich von Ulle's E-Gitarrensolo mitreißen und wegtragen zu lassen ... dieser wuchtige Schluß fehlte den diversen Versionen in den Helmut-Jahren eben irgendwie doch ... und zum Klatschmarsch stand dann die Halle wieder und tanzte mit ...
Im Anschluß kamen dann die neuen Stücke, bei denen ich mich frage, warum Ulle uns auf der Studio-CD seine Soli so radikal vorenthalten hat - oder war es der Produzent, der den Endmix zu "songdienlich" gestaltet hatte? ... "Alles relativ" begann ruhig wie von der CD bekannt alleine mit Ulle's Dobro-Picking und steigerte sich im Verlauf immer mehr, je mehr Bandmitglieder einsetzten: Wolfgang mit der Akustischen, dann Anne an der "Männergitarre" und Werners Baß, Sönke steigerte die Rhythmen, Micha kam mit der Hammond dazu ... das Ganze kulminiert beim Kernsatz des Songs "Nur wohre Liebe un dä Duud sinn endjüldisch un absolut ..." und geht in Wolfgang's Harp-Solo über ... und dann legt Ulle noch einen drauf und rockt das Teil ... warum dieses Solo auf der CD nicht so klar nach vorne gemischt wurde, bleibt mir ein Rätsel ...

Es folgt die Story, die im Forum und auf Facebook äußerst kontrovers diskutiert wurde, und der Song, der streng genommen ja nichtmal gewählt wurde bei der Wahl der fünf - aber trotzdem gut, daß Wolfgang hier in Ruhe erklärt, auf welche Leute dieser Song gemünzt ist und was genau das "schlimme" an Handyfotos ist ... und auch das anschließende "Absurdistan" bedurfte Erklärung, kommt aber live viel eindringlicher und rockiger rüber und kein Mensch hatte gestern mit den Hochdeutschen Passagen ein Problem - auch hier ein klasse Solo von Ulle, das genau so auf die Studio CD gehört hätte, dann wären die Diskussionen von wegen "zu ruhige Scheibe" vielleicht gar nicht erst aufgekommen ... den Abschluß dieses Blockes bildet der Klangrausch des "marrokanischen Walzers", dessen Text fast 9 Jahre auf die passende Musik gewartet hatte ... zu schade, daß sich hier niemand traute aufzustehen und zu dieser tollen Musik zu tanzen ... für den Sommer wünsche ich mir den Straße-von-Gibraltar-Doppelschlag: Erst "Rövver noh Tanger", das die Leute zum mitrocken bringt, und im Anschluß die "Vision", das den Klangrausch mit anderer Rhythmik fortsetzt ... apropos Klangrausch und fortsetzen ... der Saal stand natürlich sofort wieder komplett und tanzte mit, als Sönke und Ulle den Groove zu "Diego Paz" begannen ... und mutig nimmt auch hier Ulle den Vergleich mit Helmut in Kauf und liefert sich ein Wahnsinns-Duell mit Micha's Hammond - und reißt das Publikum mit ... nach diesen schweißtreibenden 10 Minuten setzte sich ein Großteil des Publikums erst einmal ... nur die Wiederholungstäter in den ersten Reihen wußten: Das lohnt sich nicht - und blieben stehen ... nur ein Refrain und eine Strophe kamen da ausgebremst, fast beschaulich daher, dann erklang der zündende Lick und der Saal stand und rockte mit, wie auch beim folgenden neuen Rocker, der den Lobliedern auf Kölle ein Loblied singt ...
Nach diesem Rocker sind dann Wolfgang & Co Vorbild und nehmen Platz auf Barhockern, die auf die Bühne gebracht werden ... die Tradition der "Liebeslieder im Sitzen" wird wieder aufgenommen und gleich zu Beginn könnte Wolfgang uns wieder alleine singen lassen, denn es scheint kaum einer im Saal kennt diesen Text nicht auswendig, den die wohlbekannten Klavierakkorde einleiten ... wo im Original ein Sax solierte und dann Major's Gitarre einstieg, zeigt auf dieser Tour Anne an der Geige ihr Können, von Ulle an der Akustikgitarre begleitet ... Gänsehaut pur ... und ein lautstarker Publikums-Chor bringt den Refrain auf den Punkt ... ein Saal voller leuchtender Augen, die auch die weiteren drei Liebeslieder hindurch am strahlen sind, von denen eines auch über 20 Jahre nicht mehr im Set war ... und natürlich vor "Zaubre" wieder Wolfgang's suchender Blick nach dem Großmeister, der gestern abend etwas weiter hinten saß, aber natürlich sofort das Handy mit der Wunderkerzen-App parat hatte und hochhielt ... Reihe 1 um mich herum "konterte" mit Feuerzeugen und "analogen" Wunderkerzen ...

Dann geht's auf das Finale zu ... zu "Kristallnaach", "Arsch huh" und "Verdamp lang her" hält es niemand auf den Sitzen - überall ein Meer aus klatschenden Händen und textsicheren Mitsingern ... die standing Ovation dauert bis die Band wieder auf die Bühne kommt ... und nun stehen wir vorne am Absperrband und die ersten Reihen und Leute aus den Gängen rücken nach: Unsere Ex-Sitzplätze sind nun Reihe 4 oder 5 ... ävver alles nur "Halv su wild" ... wir rocken vor, Wolfgang, Ulle & Co auf der Bühne ... nach dem Schlußakkord hält Sönke den Beat, Ulle und Wolfgang hauen synchron in die Saiten - "Tscha! ... 't blieht länger hell jetz ..." ... der Saal ist entfesselt ... grandios und fulminant nach Strophe 3 und Refrain dann Sönke's Drumsolo, an das sich Ulle noch mit einem Solo anschließt ... und zum Abschluß des ersten Zugabe-Blocks gibt's im Refrain die Feststellung, daß diese Band immer noch rockt - tschuldigung, aber wer das zu diesem Zeitpunkt im Konzert noch nicht mitgekriegt hat, bei dem sollten dringend Wiederbelebungsmaßnahmen ergriffen werden ... ;o)
Der zweite Zugabenblock wird weiter im Stehen erklatscht und erjohlt ... BAP Konzerte kennen kein Ende ... aber jetzt wirds nochmal ruhig und stimmungsvoll ... "So sinn se also uss die Kääls ..." ... mit geschlossenen Augen wiegt man sich im Takt mit, bis der Refrain erhaben aus dem Klangteppich hervorbricht und Micha's Hammond mit ordentlich Overdrive ein weiteres Hammer-Solo erklingen läßt ... nach verklingen der letzten Töne dann für mich eine Schrecksekunde: Warum nimmt Ulle nicht die Mandoline? ... Was sollen die Sterne auf der Video-Wand? ... Wird schon der Ausklang eingeläutet? ... Und tatsächlich erklingt nur der Schlußsong vom neuen Album, den Wolfgang in Stuttgart und Trier als perfektes Konzert-Ende gelobt hatte ... wurde da was gestrichen???
Nein, noch während der vermeintliche Schlußapplaus brandet, greift Ulle zur Gitarre ... dieses Intro ist ungewohnt: Welcher Song soll das werden? ... Moment ... da war doch eine TV-Sendung ... dieses "Dschungel-Camp für Musiker"? ... Wir durften der Generalprobe für den Gastauftritt von Xavier Naidoo in Mannheim beiwohnen - okay, ohne den Ehrengast versteht sich, aber uns war das auch so ganz recht ... "Unn was wir allein nit schaffe, dat schaffe mer dann zosamme" ... und nach kurzer Beschlußfassung des Band-Rates, die Bühne nicht mehr zu verlassen, wurde mit dem von mir gerade noch vermißten "Frauenname mit vier Buchstaben" nochmal eine Runde Party gezündet ... Ulle mit Mandoline, Micha mit dem Schifferklavier, Anne mit der Geige an der Rampe vorn und vor der Bühne ein tausendstimmiger Chor ... vor etwas mehr als sieben Jahren tanzte ich in Reihe 5 in der Europahalle Karlsruhe zu diesem Song mit einer, die gestern abend sicher von einer Wolke aus das Geschehen im Saal verfolgte - dieser Song hätte gestern für mich auf keinen Fall fehlen dürfen ... danach der stimmungsvolle Ausklang mit dem Rausschmeißer par excellence - das Lied nach dem auf der "Bess demnähx" der Schweizer Beauftragte ruft "Tschau mitanand - auf wiederluege!" ... natürlich auch das mit textsicherem Publikums-Chor, gefolgt von einer letzten Verneigung der Band und einem "Et woor schön - mer jonn!" von Wolfgang und Werner, während die ersten Töne von "Heimweh noh Kölle" aus den Boxen klingen ...

Die Forumstruppe verweilte noch kurz vor der Bühne und schwärmte dann im Foyer noch weiter vom gerade erlebten ... irgendwann gegen 23:45 verabschiedete ich Großmeister Ulli in die Tiefgarage und machte mich auf den Weg durch die schlafende Stadt zu meinem Auto ... nicht ohne Stoppok vor mich hinzusummen:"Oh wat ne Naach ... wat war dat für'ne Naach ..." ;o)