Augenblicke für Luftschlösser
von Bernhard Flieher,
"Salzburger Nachrichten"
Das Notizheft
ist verschwunden. Kein Wunder. Übersiedeln. Schreibtisch-Chaos sowieso. Unterwegs - so
oft es halt geht. Worum sollte es doch gleich noch einmal gehen? Die nächtliche Fahrt an
den Fluss hinaus durch die schlecht beleuchtete Vorstadt? Im matten Straßenlicht ein
letzter Kuss vor dem Abschied in die Welt? Um Sehnsucht? Hoffnung? Um Rastlosigkeit?
Eine Gitarre. Gebraucht. Immer mit dabei auf dem Weg nach oben, der durch dreckige Kneipen
führt, durch Vorzimmer, hinter denen aalglatte Abzocker warten. Immer auf der Suche.
Irgendwo auf den Straßen wird er mir begegnen, der Geist in Lederjacke und Jeans.
Abgewetzt und zerrissen. Und immer verirrst du dich in Sackgassen. Blickst noch einmal in
den leeren Saal. Schwitzend.
Zwei Stunden donnerndes Leben hinter dir. Papierbecher. Letzter leichter Rauch hängt
unter dem kalten Neonlicht. Vorher, wenn im Saal das Licht ausgeht. Toben. Diese eine
unbeschreibliche Sekunde. Dann der Spott, der einzige auf der ganzen Welt. Und in diesem
Moment tausend Gesichter, die dich nach ihren Sternen greifen lassen. Vorbei. Die Roadies
haben schon die halbe Bühne abgebaut. Wieder ein Traum geträumt. Tausend Bilder lassen
dein Latein schnell ans Ende kommen und aus der Recherche eine scheinbar leicht greifbare
Fantasie werden. Der Springsteen, der Mellencamp, der Fogerty. Und Neil Young. Willie
Nelson. Gram Parsons, Tom Pettys Herzensbrecher auf dem Weg "Into The Great Wide
Open". Jackson Browne irgendwo in der Prärie unterwegs. "Running On Empty". Ewiges
Abenteurertum. Ewige Wegbegleiter. Immer zur rechten Zeit die richtige Zeile. Niemals nur
ein Ort, niemals die Beschränkung auf einen Ort. Immer nirgendwo. "Zeig mir die
Richtung, falls es eine gibt", fällt dir ein. Und weil der Schreiber jener Zeilen
Chef von BAP ist und BAP nicht aus Kalifornien oder Winnipeg kommen, sondern aus Köln,
ist knapp vor Sonnenaufgang der Beweis für die Globalität von verzweifelter Sehnsucht
auch noch erbracht. Noch eine letzte Scheibe in die Unendlichkeit, für die Ewigkeit. Und
das soll dann alles gewesen sein?
Augenblicke für Luftschlösser sind dann voller Kraft und Wahrhaftigkeit, wenn sie ihre
unentrinnbare Notwendigkeit wieder verlieren. Bitt' schön um Entschuldigung. Notizblock
verlegt, wie gesagt. Und deshalb einfach nur ein paar Platten aufgelegt. Träume eben.
Wirklich und so nah, dass sie wärmen." |