"Das Märchen vom gezogenen Stecker"
oder
"Alles fügt sich und erfüllt sich. Man muss es nur erwarten können."
"Es war einmal eine tapfere kleine Rock 'n' Roll-Band, die sich
vorgenommen hatte, bei Gelegenheit ausnahmsweise einmal mit
akustischen Instrumenten auf Tour zu gehen. Aber immer, wenn die
Zeitumstände halbwegs günstig schienen, kam dann doch wieder
irgendetwas dazwischen und wenn es auch nur die eigene Vernunft war.
Eine Unplugged-Tour, wie man ein solches Unterfangen wohl auf
Neudeutsch bezeichnen würde, bedeutet nämlich leider nicht, dass
alles unkomplizierter wird, sondern vielmehr, dass einem die ganze,
in Jahrzehnten erworbene Rock 'n' Roll-Routine nur noch bedingt
etwas nützt. Denn sobald man sich mit Instrumenten ohne Tonabnehmer
auf die Straße wagen will, stellt man fest, dass so ziemlich
sämtliche bühnentechnischen Erfahrungen für die Katz sind.
Schließlich wurden die elektronischen Instrumente und
Schallverstärker ja nicht zuletzt entwickelt, um das Leben der
fahrenden Musikanten zu vereinfachen.
Und wenn man dann auch noch ökonomische Argumente in die Waagschale
legt, kommt man schnell dahinter, dass es besser wäre, sich darauf
zu beschränken, seine größten Hits lagerfeuermäßig runter zu
schrammeln und sich dabei von einem gecasteten, möglichst blonden
Streichquartett begleiten zu lassen. Diese einzige Show, die dann
möglichst effektvoll abgefilmt und tontechnisch aufgemotzt wird,
lässt man auf Silberlinge pressen und sorgt dafür dass sie ihren Weg
ins Pantoffelkino findet. So weit, so schlecht.
Aber so war unsere tapfere kleine Rock 'n' Roll-Kapelle nun mal
nicht drauf. Ihr ging es vor allem um eine Konzertreise, bei der man
Abend für Abend das Publikum in eine andere Welt entführen wollte.
Und so gingen die Jahre ins Land und eigentlich hatten sie sich die
Tour mit den akustischen Instrumenten schon abgeschminkt, bis an
einem Novembermorgen ein böser Zauberer den Sänger der Band mit
einem Fluch belegte, der ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Und
wenn sein Schutzengel nicht dermaßen clever reagiert hätte, wäre das
Märchen vom gezogenen Stecker hier auch schon beendet gewesen,
beziehungsweise es hätte erst gar nicht stattgefunden.
Aber Gott sei Dank überlebte der Sänger den Fluch auf wundersame
Weise und da er sich vorgenommen hatte, dem bösen Zauberer kein
zweites Mal zu begegnen, beschloss er - viele Tagesreisen entfernt
von seinem Millionendorf am Rhein - im Land der unbegrenzten
Möglichkeiten mit dort ansässigen Musikern ein für seine
Verhältnisse eher ruhigeres Solo-Album aufzunehmen, das die
Geschichte von ihm und seinem Schutzengel erzählt. Sozusagen als
Dankeschön dafür, dass dieser ihm das Leben gerettet hatte .
Und so geschah es.
Als die Kollegen seiner tapferen kleinen Rock 'n' Roll-Band in den
Monaten danach hörten, was ihr Sänger da jenseits des großen Wassers
aufgenommen hatte, waren sie recht angetan und prompt drängelte sich
die Idee der Akustik-Tournee wieder nach vorne:
Mit Material dieser Art könnte man es wagen. Unbewusst und ungeplant
war auf einmal eine Blaupause entstanden, an der man sich
orientieren konnte. Und so lud man als Erstes den Trommler aus dem
Morgenland ein, auf dass er mit all seinen Zymbalen, Glöckchen und
Tambourinen das wackere Rock 'n' Roll-Orchester auf ihren fliegenden
Teppichen tatsächlich zum Abheben bringe. Eine musikalische
Weltreise sollte es werden, sowohl was die Instrumentierung wie auch
die zu erzählende Geschichte betraf. Schließlich hatte es der
ungekrönte König aller Troubadoure einmal folgendermaßen formuliert:
"Songs sind wie Träume, die man wahr zu machen versucht. Sie sind
wie fremde Länder, die man bereist."
Die Spielregeln waren schnell aufgestellt und übersichtlich:
Erstens kam jedes halbwegs akustische Instrument in Frage, auch wenn
es noch so exotisch war, zweitens sollte alles möglichst "höösch"
(in aller Ruhe) vonstattengehen und drittens wollte man sich auf
keinen Fall irgendeiner wie auch immer gearteten reinen Lehre
verpflichtet fühlen. Nachdem der Sänger eine Songfolge aus dem
opulenten Repertoire der Band zusammengestellt hatte, von der er
hoffte, dass sie der eben zitierten Definition entsprächen, begannen
die Instrumentalisten damit, sich Gedanken zu machen, wie man die
ausgewählten Songs denn wohl möglichst schlüssig und in filigraner
Form arrangieren könnte.
Es verstrich der Winter, so langsam begann das Frühjahr und man traf
sich hoch über einem sich durch Berge schlängelnden Fluss, inmitten
von Weinbergen bei zwei freundlichen Brüdern, deren Gastfreundschaft
längst legendär war, um das Ausgedachte in die Tat umzusetzen. Und
siehe da: Auch wenn es gar nicht so einfach war, all diese
unterschiedlich lauten und leisen Instrumente ins optimale
Verhältnis zu setzen, so entfaltete sich doch nach und nach ein
Wohlklang ungeahnter Natur. Schließlich wagte man sich, nachdem alle
Lieder zufriedenstellend eingeprobt waren, in die Metropole des
Landes, um dort die Konzertreise zu starten.
Die Menschen strömten förmlich in die Opernhäuser, Theater,
Philharmonien, Burghöfe und Zirkuszelte, wo ihnen diesmal sogar
Sitzplätze angeboten wurden. Einmal spielten sie überdies unter Tage
in einem Salzbergwerk. Sie traten auf einer Insel im hohen Norden
auf und zweimal erstaunlicherweise in ehemaligen Eisenbahn-Depots.
Von dreien dieser Konzerte fertigten sie im Schatten eines riesigen,
zweitürmigen Doms Schallaufzeichnungen an, um sie später als
Tonkonserve feilzubieten. Das Schunkelverbot wurde allabendlich
aufgehoben, es wurden Kekse verteilt, neue Künstlernamen ergaben
sich wie von selbst und irgendwann im Verlauf eines jeden Abends,
spätestens am Ende des jeweiligen Konzerts, wurden sich die
Musikanten erneut darüber bewusst, wie großartig es doch ist, sein
Leben mit Musik verbringen zu dürfen.
Tja, und wenn sie nicht gestorben sind, dann touren sie vermutlich
immer noch. Wahrscheinlich mit irgendeinem Programm, das sich -
schön höösch - aus dem Märchen vom gezogenen Stecker entwickelt hat,
selbst wenn hier und da auch schon mal wieder die eine oder andere
arbeitserleichternde Stromgitarre zum Einsatz kommt.
Merke: Alles fügt sich und erfüllt sich. Man muss es nur erwarten
können
von der "Niedeckens
BAP"-Künstlerseite auf der Homepage von "Universal
Music" |