Sonntagabend ...
von Tatjana Tie Zimmermann

Sonntag Abend, war es 1982 oder noch 81? Ich bin zwölf Jahre alt, liege in dem Kinderzimmer, das mein kleiner Bruder und ich uns teilen, und höre auf meinem von Opa und Oma geschenkten, eigenen Radiokassetten Rekorder die Hörer Top Ten von SWF 3 mit Frank Laufenberg.
Auf einmal läuft da „ Verdamp lang her“. Vom ersten Moment an war ich völlig hypnotisiert. Den Text habe ich teilweise verstanden, aber nicht ganz. Es war nur völlig klar, dass es hier ernst und wichtig ist mit einem Refrain, der mich packte. Unglaublich.
Die Woche darauf habe ich wieder auf dieses Lied gewartet und dann auf Kassette mitgeschnitten. Das war nur für mich alleine, das kannte nur ich. Und dann hab ich etwas getan, was das allererste Mal war: Ich ging in die Stadt, vermutlich ins „Mono“ und kaufte mir eine Schallplatte, die „ Für usszeschnigge“.
Das war´s. Bap und ich waren nicht mehr auseinander zu bringen. Natürlich las ich alles, was zu lesen dabei war, konnte mitsingen, lernte Kölsch.
Wie jeder weiß, es dauerte nicht allzu lange, da lief auch schon „Kristallnaach“. Dann ging ich ein zweites Mal in die Stadt und kaufte wieder Bap. Mein Bruder bekam das ja zwangsläufig mit und vervollständigte unsere Plattensammlung mit „Affjetaut“ und „Bap rockt andere kölsche Leeder“, später noch mit „Bess demnähx“.
Irgendwann war ich komplett ergeben. Und immer weniger konnte ich mir ein Bild von dem interessanten Wolfgang Niedecken machen. So unterschiedlich waren diese Lieder und Texte. Nichts desto trotz war Bap das Beste, auch in einer Zeit, wo man ständig Musik entdeckt
Dann erschien „Ahl Männer aal glatt“ und ich war irgendwie raus. Die Platte hab ich mir nicht mal mehr gekauft. Klang so anders. Nicht mehr mein Bap.
Also kein wirklich treuer Fan. Aber traurig irgendwie.
Schon als ich die Salzjebäck gehört habe, ahnte ich schon, dass sich etwas verändert hatte. Oder war es nur mein Leben, das sich veränderte? Die Kindheit, die sich verabschiedete? Who knows.
Danach war ich nur noch ein vergangener Bap Fan. Den Anschluss hab ich nicht mehr gesucht. Aber trotz allem, wenn jemals später Lieder mit Wolfgangs Stimme im Radio liefen, von Bap oder den Solo-Bands, dann war es immer, als ob ein allerbester Freund mich grüßt. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Vun mir uss Kitsch…
Also all die Jahre vergingen und ich weiß nicht, wann ich irgendwann davon aus ging, dass es Bap nicht mehr gibt. Das letzte, was ich noch mitbekam, war „Paar Daach fröher“.
Arsch huh, Schlaganfall, Bundesverdienstkreuz- komplette Leere. Wieso eigentlich, frag ich mich heute. Wie konnte alles derart an mir vorbei gehen?
Bis zu dem Tag, an dem ich den PC anmache und auf der Startseite plötzlich ein Bild erscheint: Sing meinen Song und Wolfgang Niedecken.
Das hätte ich sonst nie angeklickt, aber Wolfgang war immer noch was Besonderes. Sofort recherchiert. Bap gibt es noch! Und was war denn das? Eine Bap Fan Page? Von Chrischi? Etwa der Chrischi aus´m Sound? Tatsächlich. Ich erinnerte mich an ihn sicher nicht nur als Bap-Fan, aber ich hatte ab und zu mitbekommen, wie er über Bap gesprochen hat, mit einem Zugehörigkeitsgefühl, das mich staunen ließ. Und jetzt sah ich, dass er da bei Bap ganz nah dran war. Mehr als verdient für so viel Herzblut und Hut ab mit Verbeugung für das, was er da mit Sacha auf die Beine gestellt hat.

Das allererste Bap-Konzert in meinem Leben sah ich nur wenig später 2016 auf dem ZMF in Freiburg. Auch wenn ich am Abend dann erst gar nicht mehr hingehen wollte, ich hatte Angst, Bap könnte mein ruhiges Leben verändern. Hat es dann auch.
Als ich mir danach die wahnsinnig schöne „Lebenslänglich“ gekauft habe, wusste ich, dass das wohl auch für mich gilt.
Die größten Zeiten verpasst, alte Bandbesetzung verpasst, aber das, was ich jetzt sehe ist schwer zu toppen. Ich vermisse nichts, find es einfach nur Hammer, dass ich da wieder dabei bin!



Nachwort:
Als der Newsletter von Chrischi kam, mit der Anregung was für die Interaktiv-Seite zu schreiben, hab ich mir das alles mal angeschaut. Es war beeindruckend zu lesen, wie es anderen gegangen ist oder geht und ich hatte Respekt für die Offenheit und die Mühe, die hier zu erkennen war.
Anlass für mich, das auch mal zu tun.