"Der Text
ist so aus dem Leben gegriffen. Also, ich kauf mir diese völlig verkitschte
Jesusbüste, die man so kennt, so aus allen möglichen Krankenhäusern, wo sie
auf irgendwelchen Ecken steht, die man aus Kirchen kennt, wo halt jetzt nicht
die großartigen Kunstschätze drin zu sehen sind, wo einfach so
Gebrauchsdevotionalien rummstehen, und irgendwie hat's mir das Teil angetan. Ich
nehme das mit nach Hause und es steht dann da, und kaum steht das da, geht bei
mir auch schon die Sinniererei los. Ich verbinde halt irgendwie viel aus meiner
katholischen Erziehung, aus meinem ganzen Background, halt mit so katholischen
Geschichten, und wenn man dann überlegt, was verbinde ich eigentlich damit, und
für was steht das eigentlich, und was ist alles schon im Namen dieser Person
gelaufen, dann kommt schon einiges zusammen. Und daß wir zu dieser Musik
gekommen sind, freut umso mehr, weil das eine Groove-Nummer ist, eine Art
von Musik, die für BAP nicht unbedingt typisch ist. ... Der Gipsmann steht
jetzt bei mir oben am Bett, wunderbar zwischen einigen Topfpflanzen, ...
so ein kleines Altärchen, und er bergrüßt mich jeden Morgen und ich sage ihm
abends immer "Schloof joot!!" und irgendwie hat er so seine Stelle im
Haus gefunden, ist so ein kleiner ironischer Altar."
Wolfgang Niedecken
auf der Promo-MC zu "Pik Sibbe"
"Das ist die
Ballade vom Gipsmann – einer Jesusbüste, die ich irgendwo gefunden hatte. Das
war sozusagen ein Revolutionär, der irgendwie in die Kitschabteilung geraten
war. Das passiert meistens mit den großen Revolutionären."
Wolfgang Niedecken
auf einem Open Air in Balingen am 10.07.1994
Jipsmann
Von der CD
"Pik Sibbe", 1993
Rähnboorebunt,
makellos schön, wieße Jewänder met ruut, jold un gröön, Schloofzemmerbleck,
Kussmund en Matt, su stundste verstöbb met Heimatfilm-Bart om Fluhtmaat zwesche
Tasse un Vase. Ich daach ahn Wunde un Träne, ahn Essig em Schwamm, ahn'e Krüzz
övver'm Koppengk, Eva met Schlang, ahn dä Horror vür'm Bichte, ahn't sechste
Jebot, Dohnekrohn, Luzifer, Inquisition. Kozzschlääsch vum Weihrauch beim
Huhamp em Dom. En dingem Name kammer Hexe verbrenne, un mer kann Schweine-Partei
noh dir benenne, noh dir benenne. Et jitt dich uss Sandstein, uss Porzellan, uss
Plastik un Marmor, jestanz en Metall, op Flagge jesteck, jeschnitz un graviert,
Söldner un Hure em Suff tätowiert, op Leinwand jemohlt, uss silver un Jold. Jröss
mir die Frau, die dich als Jungfrau jeboore; Jipsmann, zo der däät ich dich jähn
ens jet froore, jähns ens jet froore.
Gipsmann
Übersetzt von
Chrischi 1998
Regenbogenbunt,
makellos schön, weiße Gewänder mit rot, gold und grün, Schlafzimmerblick, Kußmund
und "Matte" (füllige Haarpracht) – so standst du verstaubt mit
Heimatfilm-Bart auf dem Flohmarkt, zwischen Tassen und Vasen. Ich dachte an
Wunden und Tränen, an Essig im Schwamm, an ein Kreuz über dem Kopfende, Eva
mit Schlange, an den Horror vor dem Beichten, an das sechste Gebot, Dornenkrone,
Luzifer, Inquisition. Kotzschlecht vom Weihrauch beim Hochamt im Dom. In deinem
Namen kann man Hexen verbrennen, und man kann Schweineparteien nach dir
benennen. Es gibt dich aus Sandstein, aus Porzellan, aus Plastik und Marmor,
gestanzt in Metall, auf Flaggen gestickt, geschnitzt und graviert, Söldnern und
Huren im Suff tätowiert, auf Leinwand gemalt, aus Silber und Gold. Grüße mir
die Frau, die dich als Jungfrau geboren. Gipsmann, zu der täte ich dich gerne
mal etwas fragen.