Memoiren eines Fans
von Ulf Dreschke, San Francisco, 1. Juni 2000

Seit ich vor kurzem erstmals die Idee hatte, meine Gedanken über BAP aufzuschreiben, habe ich mich einige Male gefragt: "Wieso eigentlich?" Bestimmte Stücke und Erlebnisse, die bei mir seit fünf, zehn oder zwanzig Jahren gewisse Erinnerungen hervorrufen, sind doch eigentlich nichts anderes als Gedanken an vergangene Zeiten, die man am besten da lässt, wo sie hingehören: in die Vergangenheit.
Aber dann gibt es auch Momente, in denen mir klar wird, dass die Songfetzen, die mir immer wieder im Kopf herumgeistern, mehr sind als nur Erinnerungen an bestimmte Zeitsplitter. Die Songs sitzen tief und sind zu Bestandteilen meines Lebens geworden, die längst nicht mehr wegzudenken sind (auch wenn ich jetzt schon seit dreizehn Jahren in Amerika wohne und BAP, bis auf eine Ausnahme 1994, seitdem nur aus der Ferne mitbekomme).
Ein Überraschungsmoment der angenehmen Art veranlasste mich schließlich vor ein paar Tagen, meine Eindrücke festzuhalten und sie mit anderen Fans zu teilen.
Es begann damit, dass ein BAP-Fan, Uwe aus Stuttgart, mir vor drei Wochen per e-mail mitteilte, dass er vorsichtshalber mal Karten für das Würth Open Air Festival am 23. Juni besorgt hatte. Uwe erinnerte sich daran, dass ich vorhatte, um die Zeit nach Deutschland zu kommen. Seit seiner Mitteilung fiebere ich schon meinem Flug am 18. Juni von San Francisco nach Frankfurt entgegen und freue mich auf mein erstes BAP-Konzert seit sechs Jahren! Dass Uwe und ich uns überhaupt kennen, und über die letzten paar Jahre eine Art "BAP-Brieffreundschaft" entwickelt haben, ist letztlich nur einem "Zofall und e janz klei bessje Glöck" zu verdanken, doch dazu später mehr.
Ich denke, jeder BAP-Fan hat eine Geschichte parat, die beschreibt, wie sie/er zur Band gefunden hat. Ich hatte dieses Schlüsselerlebnis 1980, noch vor dem Erscheinen der zweiten LP, "Affjetaut". Es war jedenfalls während meiner Lehrzeit bei Nattermann in Köln-Bocklemünd, als Bert, ein Klassenkamerad an der Berufsschule, mir und ein paar anderen Mitschülern eines Tages verkündete: "Hück spillt dä Niedecken, kütt’r met?" Wir hatten zwar keine Ahnung, worum es ging, aber weil der Bert immer wusste, wo was angesagt war, sind wir nachmittags zum "Spielplatz", einer Kneipe in der Kölner Südstadt, gegangen. Da standen wir mit zirka dreißig anderen Leuten gelangweilt vor der Eingangstür als ein Typ mit Hund plötzlich vor der Tür erschien und meinte, bevor es losginge, müsste er noch mal kurz mit dem Hund raus. Bert teilte uns natürlich gleich mit, dass das "dä Niedecken" war, und kurz darauf wurden wir reingelassen. Es ging an der Theke vorbei ins Hinterzimmer, wo zwei Meter vor den Instrumenten drei oder vier Stuhlreihen platziert waren.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Band an dem Tag hauptsächlich die Titel des Debut-Albums "…rockt andere kölsche Leeder" gespielt hat, darunter "Heidi", "Hang on Sloopy/Wahnsinn" und "Stell dir vüür". Zum Zeitpunkt dieses Auftritts war der Major, Klaus Heuser, bereits dabei, und Gröön Klever spielte noch den Bass. Es dämmerte mir irgendwie, dass der Gig im "Spielplatz" was Insider-haftes an sich hatte, wahrscheinlich auch deshalb, weil wir danach auch noch Jürgen Zeltinger an der Theke erspähten.
Da ich keine Lust hatte, gleich nach meiner Lehre ins Arbeitsleben einzusteigen, bin ich in den nächsten paar Jahren (1980 bis ’85) zwischen Uni und Sporthochschule Köln hin-und her gependelt und habe nebenbei das ein oder andere BAP-Konzert mitbekommen, wobei mir auffiel, dass die Gigs immer größer wurden. Anfangs waren es noch Auftritte an Schulen in und um Köln, meistens im Bergischen Land, wo ich früher zur Schule gegangen war. Apropos Schule: obwohl ich bisher keine BAP-Mitglieder persönlich kennengelernt habe, kann ich mich immerhin rühmen, auf die gleiche Schule gegangen zu sein (das AMG in Bensberg) wie ein paar Jahre vorher Stefan Kriegeskorte, der langjährige und –mähnige Bassist der Band.
Es dauerte nicht lange, da war BAP auf einmal in aller Munde. Plötzlich war ich nicht mehr in der zweiten Reihe, sondern hunderte von Metern von der Bühne entfernt bei der Mega-Demo am 10. Juni ’82 in Bonn, kurz darauf beim Open Air mit den Stones, und dann beim Rockpalast Festival an der Loreley.
Am 14. April 1986 (ich habe noch die Eintrittskarte) sah ich schließlich mein vorerst letztes Konzert auf der "Ahl Männer"-Tour in der Kölner Sporthalle. Kurz darauf flog ich zum erstenmal nach Amerika, wo ich während eines Ferienjobs meine jetzige Frau kennenlernte. Seit Oktober ’86 wohne ich jetzt in der Nähe von San Francisco.
Jedem, der schon mal eine Zeit lang im Ausland gelebt hat, fallen früher oder später Dinge auf, die einem in der neuen Umgebung unheimlich auf den Geist gehen. Andererseits ist man froh, dass man mit einigen derben Sachen aus der alten Heimat nicht mehr konfrontiert wird. Und dann gibt es bestimmte Dinge, die man umso mehr vermisst, je länger man weg ist. Bei mir war das ohne Frage BAP, und mein Bruder in Köln schickte mir regelmäßig die neuesten CDs um mich long-distance-mäßig auf dem Laufenden zu halten. Diese "Luftbrücke" von Köln nach San Francisco ermöglichte es mir, in den Genuss von "Da Capo", "X für e U", "Arsch huh", "Affrocke", und "Pik Sibbe" zu kommen.
Am Tag, als "Pik Sibbe" per Luftpost eintraf, fiel bei mir der Groschen. Während "Nöher zo mir" aus dem Lautsprecher dröhnte, sah ich im CD-Beiheft, dass BAP im März ’94 in der Kölner Sporthalle spielen würde. Spontan rief ich: "Joan, let’s go see BAP in Cologne!". Meine Frau, mittlerweile mit BAP Musik vertraut (obwohl sie kaum ein Wort Deutsch und erst recht kein Kölsch verstand), war sofort Feuer und Flamme und meinte "Let’s do it". Daraufhin besorgte mein Bruder vor Ort über einige Umwege Karten für das Kölner Zusatzkonzert am 7. März ’94, und wir plünderten das Sparschwein um samt Pänz (wir hatten inzwischen zwei Jungs im Alter von vier und zwei Jahren) nach Köln zu düsen.
Für das Konzert gibt es nur eine Beschreibung: Fantastisch! BAP Live, nach sieben Jahren Entzug, an gleicher Stätte, das war einfach genial. Die Highlights waren für mich der Opener "Widderlich" und "Alexandra" mit dem Mammutgitarrensolo, bei dem die Sporthalle vor Energie abzuheben schien!
Diesem Highlight folgte natürlich kurz darauf die Ernüchterung, als es wieder zurück in den Alltag ging. Allerdings gab mir der Blitzaufenthalt in Köln auch den Kick, selber mal wieder auf der Klampfe rumzuhauen.
Neben meinem Job als Logistik Koordinator bei einer kalifornischen Firma in der Nähe von San Jose, mache ich seit 1994 auch auf freiwilliger Basis bei einer Deutschen Samstagsschule in Palo Alto mit, wo den Kids auf ungezwungene Art und Weise Deutsch als Fremdsprache beigebracht wird. Meine Jungs gehen da auch hin und haben es dadurch einfacher, zweisprachig aufzuwachsen. Ich helfe wie gesagt ab und zu an dieser Schule mit indem ich versuche, mehr oder weniger aktuelle Deutsche Lieder vorzustellen. Eines Tages dachte ich mir: "Warum nicht mal Kölsch?" Viele von den Kindern kennen Deutschland nur vom Hörensagen und aus Büchern. Und wenn sie dann mal nach Deutschland kommen, verstehen sie je nach Gegend nur noch Bahnhof.
Einen Vorgeschmack auf solche regionalen Gegebenheiten bekamen die jüngeren Schüler jedoch, als ich sie eines Tages mit "Waschsalon" konfrontierte. Der Song hat ihnen jedenfalls unheimlich viel Spaß gemacht, und beim dritten oder vierten Mal tanzten sie, während sie hemmungslos "wisch wasch" gröhlten, wie wild um die selbstgebastelte Waschmaschine aus Pappe herum.
Mit der Zeit studierten wir alle möglichen, meist selbstgetexteten Stücke ein, die wir dann sogar bei einigen internationalen Kulturveranstaltungen auf dem Union Square in Downtown San Francisco aufführten. Dabei war es besonders erfreulich, dass unsere zeitgenössischen Beiträge sich angenehm von den fahnenschwenkenden Traditions- und Trachtenvereinen abhoben, die bei derartigen Veranstaltungen oft die Deutsche Kultur repräsentieren.
Aus heiterem Himmel kam eines Tages die BAP-CD "Amerika" "luftbrückenmäßig" an. Mir war anfangs völlig egal, was sich hinter dem Titel an Tiefsinnigem verbarg. Allein die Tatsache, dass die Scheibe "Amerika" hieß, stellte für mich einen besonderen Bezug her. Und die ersten Strophen von "Nix wie bessher" schleuderten mir sofort einen Zeitsplitter aus meiner Kindheit ins Gedächtnis, nämlich als ich mit einer Horder Nachbarskinder in Köln-Kalk Tag für Tag, von morgens bis abends, auf der Straße mit einer total abgewetzten Lederpille bis zum Umfallen Fußball spielte.
Mitte 1997, bei meinem nächsten Deutschlandaufenthalt, gab es zwar kein BAP-Konzert, dafür aber einen echten Zufallstreffer, auf den ich zu Anfang dieser Ausführungen bereits hingedeutet habe. Es begann damit, dass ich hobbymäßig seit ’97 für das Goethe-Institut San Francisco alljährlich ein Fußballturnier für amerikanische Jugendliche mitorganisiere. Der Preis für die Turniersieger ist jedes Jahr eine Team-Reise nach Baden-Württemberg (Anlaufstation: Sportschule Schöneck in Karlsruhe), bei der ich als Betreuer mit dabei bin.
Auf der ersten dieser Fußballreisen verschlug es uns u.a. an die FH in Ludwigsburg, wo eines abends die Semesterabschlussfete stieg. Die Tatsache, dass ich mir an dem Abend mein "Pik Sibbe" Sweatshirt angezogen hatte, sorgte schließlich dafür, dass mich ein Typ namens Uwe als BAP-Fan identifizierte und "’ne Verzäll" anfing. Sogleich teilte er mir mit, dass er selbst eingefleischter BAP-Fan war (allerdings über zehn Jahre jünger als ich, ein Fan also, der erst in den Neunzigern zur Gruppe gefunden hat). Im Laufe des Abends erfuhr ich noch von so manchen Episoden aus der jüngeren Band-Vergangenheit. Uwe war jedenfalls ein höchst qualifizierter BAP-Beobachter, da es zu seinen Ambitionen gehörte, auf BAP-Touren immer so viele Gigs wie möglich "mitzunehmen". Ich gab ihm an dem Abend noch meine e-mail Adresse in der Hoffnung, dass er mit mir irgendwann "interkontinentalen Kontakt" in Sachen BAP aufnehmen würde.
Ungefähr ein Jahr später fand Uwe dann beim Ausmisten den Zettel mit meiner e-mail Adresse und meldete sich bei mir. Daraufhin entwickelte sich eine regelrechte e-mail Brieffreundschaft zwischen uns. Er wies mich auch auf Chrischi’s Homepage "BAP-fan.de" hin, die mir seither als willkommene Informationsquelle dient. Uwe hält mich auch weiterhin auf dem Laufenden, was seine persönlichen Konzerteindrücke und andere Neuigkeiten angeht.
Anfang dieses Jahres bekam ich sogar ein "Tonfilm" T-Shirt und eine Videokassette mit der WDR Aufzeichnung im Kölner Musical Dome zugeschickt, die es mir erlaubte (nach erfolgreichem Video-Transfer in das Amerikanische TV-Format), endlich auch die neue BAP-Formation zu sehen und zu hören. Die Highlights auf dem Video sind für mich die "Arsch huh"-Performance sowie das Gitarrenintro von "Wat usser Rock’n’Roll", die neue Version von "Diss Naach" und "Rita, mir zwei".
Ja, und jetzt bin ich wieder an dem Punkt angekommen, womit ich diese "Memoiren" begonnen habe: Uwe’s e-mail von vor drei Wochen, in dem er mir mitteilte, dass bei ihm die Karten für das Würth Open Air am 23.6. in Künzelsau bereitliegen. Darauf freue ich mich umso mehr, da ich im letzten Jahr den "Comics & Pinups" Auftritt in Rastatt um EINEN Tag verpasst habe.
Die Aussicht, auf meinem diesjährigen Deutschlandtrip einen Abstecher zu BAP machen zu können, ist bei mir jedenfalls von einer Vorfreude geprägt, die sich am besten mit den folgenden Worten ausdrücken lässt: "BAP ich freu mich unbeschreiblich op üch!"

Ulf und seine Kids beim Üben: Mark (10, Klarinette), Alex (8, BAP-Buch), Katia (3, Trommel).

Ulf Dreschke,
San Carlos (bei San Francisco), California, USA