"Und es sind ein paar wirklich großartige Nummern auf „Alles fließt“. Absolut herausragend – und das nicht nur im Rahmen des Albums – ist das bereits im Mai, also vier Monate vor dem Albumrelease als Video veröffentlichte „Ruhe vorm Sturm“, das nicht zufällig an einen der wohl besten und wichtigsten BAP-Songs überhaupt erinnert, nämlich an „Kristallnaach“ vom 82er Album „Vun drinne noh drusse“. „In der Ruhe vorm Sturm, wat es dat“, fragte Niedecken damals und malte ein erschreckendes Bild „zweschen Breughel un Bosch“ von einer Gesellschaft, die nur auf den richtigen Moment oder Verführer wartet, um ihrem aufgestauten Hass auf „alles, wat anders ess“ freien Lauf zu lassen. Heute liest sich dieser Text, der in meinem Jugendzimmer neben dem Schreibtisch an der Wand hing, wie eine Vorwegnahme der Fernsehbilder von Pegida-Demonstrationen oder anderen widerlichen rechten Kundgebungen. Insofern ist es nicht nur konsequent und richtig, sondern vielleicht auch notwendig, dass Niedecken sein düsteres Kristallnaach-Szenario in eine Gegenwart überträgt und fortschreibt, in der die Zeit der „janz klammheimlich“ getroffenen Vorbereitungen schon vorbei und der Zeitgeist weltweit längst „zum Monster mutiert“ ist – auch durch die Hilfe digitaler Medien: „Fake-News, jezielt ennjesetz, Algorithme, Twitter, alternative Facts“. Dass die letzte Strophe mit den Worten „die Luft rüsch versängk“ endet, ist sicherlich kein Zufall, sondern eine motivische Wiederaufnahme des Refrains „Et rüsch noh Kristallnaach.“ Mit dem danach eruptiv einsetzenden Gitarrensolo, das wie der Blitz in den Song einschlägt, ist es dann endgültig vorbei mit der Ruhe und der Sturm bricht sich Bahn. Für mich einer der besten musikalischen Momente des Albums. Wann hat ein Sechsachteltakt jemals so gerockt?"

Christoph Birken in "Alles fließt – Gedanken zum neuen BAP-Album"

 

Ruhe vor'm Sturm
Vom Album "Alles fliesst", 2020

Benn ich nur ahm Dräume. oder ess dat wirklich wohr,
dat die Weiche längs jestellt un alles unaufhaltsam rollt?
Skrupellose Bauernfänger, weltweit ahn der Macht,
schwarmdemente Spießer hann se brav dohinjebraat.

Angst, die verblendet, verblödet un manipuliert.
Nötzliche Idiote, ignorant un ohne Plan
demagogisch verführt
zu Hass un Rassenwahn.

Panik, se köhme zo koot,
föhlen sich ständisch bedroht,
mitleidlos, ir''ndwie verroht.
Et jitt Minsche, die jammern op hohem Niveau.

Spürs du die Ruhe vor'm Sturm?
Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür?
Seltsame Ruhe vor'm Sturm.
Do woor doch jet, schon ens:
Ruhe vor'm Sturm

Räächte Pharisäer, scheinheilisch un feist,
prädije Barbarei, radikal jeschmacksbefreit.
Schweinebauchverkäufer, miese Package-Deals,
Inflation der Bilder, gute Mine, böses Spiel.

Lüje fleeje un die Wahrheit humpelt hingerher.
Die schlemmste Lüje sinn die, wo mer selver draan jläuv.
Ich kumm mir vüür wie 'ne Kreisel,
dä rotiert, bess 'e fällt.

Zeitgeist, zum Monster mutiert,
erntet jetz wat 'e jesäät.
Fake-News, jezielt ennjesetz,
Algorithme, Twitter, alternative Facts.

Spürs du die Ruhe vor'm Sturm?
Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür?
Seltsame Ruhe vor'm Sturm.
Do woor doch jet, schon ens:

Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür.
Da woor doch jet, domohls.

Dä Himmel stockfinster, naachschwazze Samt.
Et weed immer schwööler, 'ne Bletz zuck un dann
dä Donnerschlaach, als wööt jet jesprengk,
dann dä Sturm un dä Rään un die Schreie,
die Luff rüsch versängk.

Spürs du die Ruhe vor*m Sturm?
Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür?
Seltsame Ruhe vor'm Sturm.
Do woor doch jet, schon ens:

Spürs du die Ruhe vor*m Sturm?
Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür?
Perfekte Ruhe vor'm Sturm.
Do woor doch jet, domohls:
Ruhe vor'm Sturm.

Ruhe vor dem Sturm
Übersetzt von Chrischi 2020

Bin ich nur am Träumen. oder ist das wirklich wahr,
dass die Weichen längst gestellt und alles unaufhaltsam rollt?
Skrupellose Bauernfänger, weltweit an der Macht,
schwarmdemente Spießer haben sie brav dahingebracht.

Angst, die verblendet, verblödet und manipuliert.
Nützliche Idioten, ignorant und ohne Plan
demagogisch verführt
zu Hass und Rassenwahn.

Panik, sie kämen zu kurz,
fühlen sich ständigf bedroht,
mitleidlos, irgendwie verroht.
Es gibt Menschen, die jammern auf hohem Niveau.

Spürst du die Ruhe vor dem Sturm?
Kommt dir nicht irgendwas bekannt vor?
Seltsame Ruhe vor dem Sturm.
Da war doch etwas, schon einmal:
Ruhe vor dem Sturm

Rechte Pharisäer, scheinheilig und feist,
predigen Barbarei, radikal geschmacksbefreit.
Schweinebauchverkäufer, miese Package-Deals,
Inflation der Bilder, gute Mine, böses Spiel.

Lügen fliegen und die Wahrheit humpelt hinterher.
Die schlimmsten Lügen sind die, wo man selber dran glaubt.
Ich komme mir vor wie ein Kreisel,
der rotiert, bis er fällt.

Zeitgeist, zum Monster mutiert,
erntet jetzt, was er gesäät.
Fake-News, gezielt eingesetzt,
Algorithme, Twitter, alternative Facts.

Spürst du die Ruhe vor dem Sturm?
Kommt dir nicht irgendetwas bekannt vor?
Seltsame Ruhe vor dem Sturm.
Da war doch etwas, schon einmal:

Kommt dir nicht irgendetwas bekannt vor.
Da war doch etwas, damals.

Der Himmel stockfinster, nachschwarzer Samt.
Es wird immer schwüler, ein Blitz zuckt und dann
der Donnerschlag, als würde etwas gesprengt,
dann der Sturm und der Regen und die Schreie,
die Luft riecht versengt.

Spürst du die Ruhe vor dem Sturm?
Kommt dir nicht irgendetwas bekannt vor?
Seltsame Ruhe vor dem Sturm.
Da war doch etwas, schon einmal:

Spürst du die Ruhe vor dem Sturm?
Kommt dir nicht irgendetwas bekannt vor?
Perfekte Ruhe vor dem Sturm.
Da war doch etwas, damals:
Ruhe vor dem Sturm.