"Das ist ein Stück, das handelt von einer Reise nach Nicaragua mit den Komplizen. Es handelt von einigen Sachen, die wir dort gesehen haben. Es ist eine merkwürdige Geschichte: Als wir jetzt gerade mit der Combo hier in der Schweiz waren, erzählte mir irgend jemand, daß die Schweiz sechs Millionen Einwohner hat. Da fiel mir ein, daß Nicaragua drei Millionen Einwohner hat und die Vereinigten Staaten immer so tun, als ob diese drei Millionen "Leutchen" ernsthaft die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen könnten. Das ist ein unglaubliches Ding. Ich meine, irgendwo haben sie ja recht, weil wenn ihnen eine Bananenrepublik nach der anderen flöten geht, dann müssen sie sich wirklich etwas Neues überlegen. Das ist schon so. Jedenfalls ist noch immer diese Contra-Unterstützung zugange, wenn auch momentan humanitär – wie immer das auch aussehen mag, wenn man Mörder unterstützt. Ich weiß nicht, wie das geht."

Wolfgang Niedecken auf einem Konzert in Karlsruhe am 22.11.1988

Sandino
Von der LP "Da Capo", 1988

Koot vüür Massaya steht links 'ne Birch römm, 'ne Birch, wie'n Kinder mohle – steil un spetz, met 'ner Asphaltstrooß, die ahn ihm huhklimmp un 'nem Betonschloß, dat wer dropjesetz. 't heiß Coyotepe, un wenn wer huhjeht, hührte dä Schrei noch, weil dä nie verhallt, dä noch ahnklaach un fleht – he, wo nur noch Wind weht, durch Kellerflure, dunkel, feucht un kalt. Luhrt durch die Zinne, do litt Monimbo', dös friedlich ungen en der Medaachsonn. Dort jitt et Helde – tatsächlich Helde. Luhrt se üch ahn, sons weed'er't nie verstonn. Sandino, ich hann ding Ekel jesinn. Sandino, wa's los en dingem Graav? 't weed Zick, dat du als letzter laachs ... dodrinn! Sandino, ey Mann, ihr kritt dat hin! Ich jönn dir, dat du endlich laachs ... laachs un laachs. Conquistadore en Caravelle, un späder dann die Technokrate en Jets, hann immer widder un övverall he üch Marionette op der Thron jesetz. Bloot en Haiti, Verschwundne 'n Chile, Mütter en schwazz en Paraguay, Witwe en Träne, Contra-Hyäne, Rekorderlöse en Panama. Die Ausweiskontroll en Matagalpa: Dä Jung entschuldig sich un jitt mir'n Hand. Säht: "Companero", bet mir'n Z'jarett ahn – die Bröck wöhr wichtig für't befreite Land, dat Moot zem Dräume trotz all dä Morde hätt, dat leerjeplündert ess noh Gutsherrn-Art. Zweidausend Meile entfernt em Norden, do weeden neue Lüje praatjelaat.

Sandino
Übersetzt von Chrischi 1998

Kurz vor Massaya steht links ein Berg rum. Ein Berg, wie ihn Kinder malen – steil und spitz, mit einer Asphaltstraße, die an ihm hochklettert und einem Betonschloß, das wer draufgesetzt. Es heißt Coyotepe, und wenn wer hochgeht, hört er den Schrei noch, weil der nie verhallt, der noch anklagt und fleht – hier, wo nur noch Wind weht, durch Kellerflure, dunkel, feucht und kalt. Schaut durch die Zinnen, da liegt Monimbo, döst friedlich unten in der Mittagssonne. Dort gibt es Helden – tatsächlich Helden. Schaut sie euch an, sonst werdet ihr nie verstehen. Sandino, ich habe deine Ekel gesehen. Sandino, was ist los in deinem Grab? Es wird Zeit, daß du als letzter lachst ... da drinnen! Sandino, ey Mann, ihr kriegt das hin! Ich gönne dir, daß du endlich lachst ... lachst und lachst. Conquistadore in Caravellen, und später dann die Technokraten in Jets, haben immer wieder und überall hier euch Marionetten auf den Thron gesetzt. Blut in Haiti, Verschwundene in Chile, Mütter in schwarz in Paraguay, Witwen in Tränen, Contra_Hyäne, Rekorderlöse in Panama. Die Ausweiskontrolle in Matagalpa: Der Junge entschuldigt sich und gibt mir die Hand. Sagt: "Companero", bietet mir eine Zigarette an – die Brücke wäre wichtig für das befreite Land, das Mut zum Träumen trotz all der Morde hat, das leergeplündert ist nach Gutsherren-Art. Zweitausend Meilen entfernt im Norden, da werden neue Lügen bereitgelegt.