Ich weiß nicht wie oft
ich mir schon die alljährliche TV-Zusammenfassung im Bayrischen Fernsehen
angesehen habe und immer wieder dachte: Da müßte man auch mal dabei sein! ...
"Songs an einem Sommerabend", wie es bis 2016 noch hieß, war so etwas wie das
Rock-am-Ring der deutschen Liedermacherszene: Die großen drei - Wader, Wecker
und Mey - gaben sich da alljährlich die Klinke in die Hand, Songwriter-Größen
wie Heinz Rudolf Kunze, Chansonniers wie Klaus Hoffmann - dazu junge Talente wie
Bodo Wartke, Viva Voce, Claudia Koreck und viele andere und natürlich die
Preisträger des Nachwuchswettbewerbs mit ihrem ersten großen Auftritt.
Tja, und dann kam letzten Sommer dieser Newsletter von Chrischi, in dem stand,
daß nicht nur Wolfgang, sondern auch gleich noch mehrere seiner musikalischen
Freunde 2019 bei "Lieder auf Banz" dabei sein würden. Wolfgang Ambros, Maschine
mit Julia Neigel und Uwe Hassbecker, Schmidbauer, Kälberer und Pollina und auch
noch der Ringlstetter, der im Circus Krone 2018 einen Gastauftritt hatte - ab
diesem Moment gab es kein "Soll ich?" mehr sondern nur noch ein "Wer geht noch
alles mit?"! Großmeister Ulli hatte schon selbst ein Ticket geordert und zu mir
gesellte sich noch Natascha - seit 20 Jahren bei vielen meiner Konzert-Trips
dabei - und meldete gleich noch ihren Mann mit an: Ruck-zuck waren die
Wiesen-Tickets gekauft, die zumindest die Chance boten, vielleicht relativ nah
an der Bühne einen Platz für unsere Picknickdecke zu ergattern. Als Vorprogramm
hatten Ulli und ich noch am Freitag Udo Lindenberg in der Schleyerhalle
Stuttgart auf dem Plan, so daß die Anreise am Samstag vormittag von dort nach
Oberfranken ging - sehr entspannt auf relativ leeren Autobahnen.
Nach Check-in im Hotel ging's weiter Richtung Kloster Banz, wo lange vor dem
offiziellen Einlaß schon alle Wiesen vollgeparkt und auch am Straßenrand nicht
nur bis hoch zum Kloster, sondern noch über 1km weit den Berg wieder runter ein
Auto am andren am Straßenrand geparkt war - 15min Fußweg wieder hoch zur
Klosterwiese, die auch schon bis oben voll schien, als wir uns in die Schlange
stellten. Aber wir hatten Glück, denn nur rechts und in der Mitte war voll, die
linke Seite der Wiese füllte sich von oben her und wir landeten daher im unteren
Drittel mit gutem Blick von links oben auf die Bühne. Eine Moderatorin
dirigierte die Ankommenden in herrlichem fränkischen Dialekt zu den noch freien
Wiesen-Plätzen und sorgte auch sonst bis zum Konzertbeginn um 19Uhr mit flotten
Sprüchen für Unterhaltung. Für Speis und Trank war reichlich gesorgt - überhaupt
war eine herrlich entspannte Atmosphäre bei bestem Sommerwetter. In der Schlange
hatte sich noch Andrea aus Würzburg zu unserer Truppe gesellt und komplettierte
die Wohlfühl-Truppe.
Um 19Uhr eröffneten Viva Voce, die die Moderation des Konzertes übernahmen und
die Umbaupausen jeweils mit A-Cappella-Songs überbrückten, den Abend und
überließen dann Hannes Ringlstetter die Bühne, der mit seiner Band vier seiner
frechen Dialektsongs über Niederbayern und seine Bewohner in seinen 25min
Auftrittszeit spielte. Das sollte auch der Rhythmus des weiteren Abends sein: 25
min Konzert, 5 min Umbaupause mit Viva Voce. So kamen abwechselnd immer ein
Nachwuchspreisträger und einer der schon etablierten Künstler zum Zuge:
Pianistin Christin Henkel mit der Band ohne Haar (ihr Begleiter am Cello) mit
Klavier-kabarettistischen Songs über Zeitgeist und unerotische Dialekte, Hans
Well & die Wellbappn mit ihren politischen Gstanzerln in bairischem Dialekt wie
man sie von der Biermösln Blosn kennt - herrlich ihr Lied über die erste IAA
nach der Verkehrswende mit den neuen Automodellen wie dem "Daimler Demenz", der
autonom mit dem Rentner gegen die nächste Wand fährt, und so nicht nur das
Abgasproblem, sondern gleich noch Renten- und Pflegenotstand mit löst. Lennart
Schilgen sang uns zur Akustikgitarre u.a. den "Liegen bleiben Blues" und einen
radikalen Song gegen die Entschlossenheit - das Publikum skandierte mit
gereckter Faust:"Nein, wir entscheiden uns nicht!". Der Schweizer Roger Stein
beendete nach knappen 2 1/2 Stunden den ersten Teil des Abends mit spitzzüngigen
Texten über deutsche Prinzipienreiterei und Philosophischem über das Glück ...
Nach einer halben Stunde Pause eröffnete Wolfgang Ambros - nun schon im Dunkeln
mit toll illuminierter Glasdach-Bühne - mit seinen 2 Begleitmusikern den 2. Teil
des Konzertabends. Mit "Frage der Zeit" und "Du bist wia de Wintasun"
begann sein Set, gefolgt von "Heidenspaß", dessen Text "Mir geht es wie dem
Jesus, mir tut das Kreuz so weh." leider inzwischen nur zu wahr ist und dem
Wolferl auch anzusehen war - vielleicht auch deshalb gab es leider keinen
Gastauftritt von ihm später bei unserem Wolfgang. Sein Set beschloß er mit den
unvermeidlichen "Zwickt's mi" und "Schifoan", die das mittlerweile stehende
Publikum auf der Wiese mitschmetterte - ich hätt' letzteres zu gerne gegen ein
"Für immer jung" mit Wolfgang & Wolfgang eingetauscht. Nach ihm kam die Wiener
Band "Belle Fin" mit einer Art Wiener Weltmusik, die letzten der drei
Nachwuchspreisträger. Mit Julia Neigel und Uwe Hassbecker, verstärkt durch einen
weiteren Gitarristen, wurde es nun wieder rockiger und Julia brachte die Wiese
zum aufstehen, mitklatschen und mitsingen bei "Der perfekte Tag" - erst zu den
zweiten beiden Songs kam dann auch Maschine dazu. Dann bekamen auch "Viva Voce",
die zum letztenmal die Moderation des Festivals machten, noch ihren Auftritt mit
drei, vier Songs, und danach dachten wir: Jetzt ist es endlich soweit!
Ja, das absolute Highlight für uns - und für das ganze Publikum - wurde nun
angesagt: Aber es war nicht was wir erwartet hatten, denn auf die Bühne kam
Wolfgang - ein Mann in den 50ern mit Akustikgitarre und Sakko, und der Moderator
erklärte uns, daß ein Hobbymusiker ohne Ticket angereist war in der Hoffnung,
vor Ort dann noch eines zu bekommen. Und der hatte dann mit seiner Gitarre und
Songs von Reinhard Mey die Warteschlange unterhalten, was den Veranstaltern so
gefiel, daß sie ihn nicht nur als Zuschauer einluden, sondern er durfte an
beiden Abenden vor dem Finale einen Song auf der Bühne spielen - und wie er das
tat! Mit "Nein, ich laß dich nicht allein" von Reinhard Mey sorgte er für
minutenlange Gänsehaut, gefolgt von einem tosenden Applaus, nachdem die letzte
Note verklungen war. Wie schön so dabei sein zu dürfen, als für diesen Mann ein
Traum Wirklichkeit wurde ...
Es war fast Mitternacht, als Wolfgang nun endlich mit Akustikgitarre und
Dylan-Mundharmonika-Gestell auf die Bühne kam. Locker und entspannt begrüßte er
das Publikum und erklärte, daß einer seiner großen Helden schon in ganz jungen
Jahren einen sehr weisen Text geschrieben hat. Wir wußten gleich, was kommen
mußte: die Kölsche Fassung von Dylan's "My back Pages" - "Vill passiert
sickher", das wir natürlich laut mitsangen. Danach gab er auch gleich noch seine
"Visitenkarte" ab, und auch zu "Für 'ne Moment" erklang unser kleiner, aber
feiner Publikums-Chor links außen auf der Wiese. Als nächstes kam eine absolute
Rarität, denn diesen Song hatte er vor Banz überhaupt nur einmal live gespielt
soweit ich weiß - wir bekamen die Kölsche Fassung von Ambros' erstem Hit "Da
Hofer". Ulli, Andrea und ich waren bei der Live-Premiere im Tollhaus Karlsruhe
2015 dabei und genossen umso mehr, diesen Song nun ein zweites Mal zu hören. Zur
Unterstützung kam dabei der erste musikalische Gast Martin Kälberer ans Piano.
Beim nächsten Song kam dessen Freund Werner Schmidbauer mit auf die Bühne, und
wie ein Jahr zuvor im Circus Krone in München bekamen wir die Gänsehaut-Version
von "Noh Gulu" mit teils bairischen Strophen vom Schmidbauer und mit Kälberer an
der "Hang" genannten fliegenden Untertasse (der schweizer Version der
Steel-Drum). Und wieder rief Wolfgang einen weiteren Mitstreiter auf die Bühne:
Der Chor für "Verdamp lang her" wurde von Hannes Ringlstetter, aber auch von
tausenden Stimmen aus dem mittlerweile komplett stehenden Publikum verstärkt und
wieder wechselten sich Wolfgang und Werner Schmidbauer mit kölschen und
bairischen Strophen ab. Es muß ein erhebender Anblick für Wolfgang gewesen sein,
die Wiese voller singenden Menschen im Licht der bunten Bühnenscheinwerfer zu
sehen! Zum Abschluß seines Auftritts kam nun auch noch Pippo Pollina und ein
weiterer Musiker aus Ringlstetter's Band auf die Bühne, und mit "You ain't goin'
nowhere" in einer extralangen Fassung mit englischen, kölschen, bairischen und
sogar einer italienischen Strophe und Harp-, Tenorhorn- und Posaunen-Solo des
Multi-Instrumentalisten verabschiedete sich Wolfgang erstmal von der Bühne auf
der Klosterwiese.
Doch es ging nahtlos weiter mit dem "Süden II"-Finale, das Schmidbauer, Kälberer
und Pollina nun etwa 45 Minuten lang zelebrierten: Es war eine Demonstration von
Freundschaft, Weltoffenheit und Humanität mit Songs wie "Richtung Süden" über
ihre gemeinsamen alljährlichen Silvesterfeiern in einem Dorf auf Sizilien, wie
"Le citta dei bianchi" über die Sicht eines Flüchtlingskinds, das in die Städte
der Weißen kommt, wie der Song "Stolz drauf" darüber, daß man nur stolz auf
etwas sein kann, was man geleistet hat - und nicht auf die Zufälligkeit, in
welches Land man geboren wurde - mit einer klaren Absage an falschen
Nationalstolz und dem Bekenntnis zu Europa und Weltbürgertum. Zum Finale kamen
dann die mitreißenden "Camminando" und "Mandela", zu dem die komplette Wiese
mittanzte und den Refrain auf Kisuaheli mitsang, gefolgt vom stimmungsvollen
"Passa il Tempo" als Abschluß. Danach kamen nochmals alle Künstler des Abends
auf die Bühne und sangen "Nehmt Abschied Brüder", bei dem auch Wolfgang eine
Stophe beisteuerte ... ein stimmungsvoller Schlußpunkt, der lange in Erinnerung
bleiben wird.
So endete ein zum einen wunderbar entspannter, zum anderen wirklich erhebender
und berührender Konzertabend am Kloster Banz und ich bin total dankbar, daß ich
diesen Abend mit gleich mehreren meiner Lieblingsmusiker in bester
Forumsgesellschaft erleben durfte - nicht zuletzt dank Chrischi's nimmermüder
Fan-Arbeit und seinem Newsletter: wieviele tolle Momente hast Du mir schon
beschert, lieber Chrischi!
Ein ganz großes Danke auch an Dich für diesen unvergeßlichen Abend ...
Bess demnähx!
Spike
BR-TV-Mitschnitt von
"Lieder auf Banz 2019"
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