-Fan-Tourtagebuch
Calw, 29. Juni 2002
Ein Bericht von Hans-Georg Krumm
Övverall und Nirgends
"Övverall wo en Steckdos ess" spielt BAP auf ihrer derzeitigen
Open Air Tour und kommen somit auch in Städte, in denen sie noch nie gespielt
haben, wie zum Beispiel nach Calw, das den grossen Sohn der Stadt, Hermann
Hesse, dieses Jahr feiert. Der Marktplatz in Calw, auf dem auch das Open Air
stattfand, ist äusserst nett anzusehen: Fachwerkhäuser, wo man auch hinblickt,
sicherlich mal was anderes als die üblichen Festival Wiesen. Und sieht man das
Ganze mit den Augen der Band, so werden sie den Abend sicherlich in guter
Erinnerung behalten: ein ungewöhnlicher Ort für ein Open Air Festival, der
Marktplatz proppenvoll und obwohl das Konzert mitten in der Stadt stattfindet
keinerlei Auflagen, was die Länge betraf. Von Besucher Seite aber trotz oder
gerade wegen des Umfeldes eine einzige Unverschämtheit. Der Markplatz offenbart
sich als langezogener Schlauch, die zu niedrige Bühne in einer Senke an einem
Ende des Schlauches aufgebaut, die Sicht durch Bäume und Brunnen zusätzlich
zugestellt. Hatte man nicht das Glück, sich im vorderen Drittel aufzuhalten,
hatte man die Wahl, entweder im "Mittelfeld" guten Sound zu erleben,
ohne die Bühne aber auch nur sehen zu können, oder im hinteren, erhöhten
Teil, die Bühne zu sehen, die Musik aber nur erahnen zu können. Dafür 30 Euro
zu bezahlen und für Getränke dann noch mal pro Getränk 4 Euro hinzulegen, war
dann doch etwas unverschämt.
OK, genug gemeckert - wie war der Auftritt? WN begann das Ganze sehr Open Air
untypisch, indem er alleine, mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet, "Für
ne Moment" anstimmte. Die Band kam dann erst zum
"Leopardefellhoot" dazu, bevor es dann "richtig" los ging.
Im vorderen Drittel war dann auch gleich richtig Stimmung, weiter hinten war es
eigentlich auch OK, auch wenn es doch merklich ruhiger zuging. Das Repertoire im
Wesentlichen identisch mit dem der "Aff un zo" Tournee, auch wenn es
hier und da doch ein paar Überraschungen gab. "Wie 'ne Stein" zum
Beispiel, WN's Version von "Like a rolling stone", war nach langer,
sehr langer Zeit mal wieder zu hören, die "Sichel vum Mohnd" wurde
mal wieder geschärft und sich auch mal wieder all der "Souvenirs"
erinnert, die sich im Laufe der Zeit so angesammelt haben. Zufall oder Absicht -
gerade als die Strophe "Sieh, wie die Neonlichter an und uss john" aus
"Dess Naach" dran war, wurde die Giebeldachbeleuchtung der Fachwerkhäuser
angeschaltet. BAP spielten bis nach Mitternacht gute 3 Stunden. Leider war es
mir erst bei den letzten Liedern vergönnt in's vordere Drittel des Schlauches
vorzudringen, aber da konnte ich dann erahnen, wie gut die Stimmung vorne
gewesen sein musste. Glasklarer Sound aus den Boxen, BAP spielfreudig wie sooft,
und die neue Fassung von "Helfe kann dir keiner" ist wirklich genial.
Am Ende war dann auch auf dem ganzen Marktplatz super Stimmung: "Verdamp
lang her", "Wahnsinn" und der "Waschsalon" sorgten für
überschwappende Stimmung, bevor ganz am Ende mit "Jraaduss" und
"Dir allein" ein Gang runter geschaltet wurde.
"Övverall wo en Steckdos ess"? Sicherlich eine ehrenwerte Absicht,
liebe BAPs, aber manchmal kommt für's Publikum wenig dabei raus, wenn die
Umgebung nicht stimmt. Und das war beim Calwer Marktplatz leider, leider nicht
der Fall.
Ein Bericht von Hans-Georg Bär
Erstaunlich, daß BAP nach 26 Jahren im Geschäft noch eine unbespielte Steckdose gefunden hatten. Ab Samstag, den 29. Juni steckt auch hier ein Fähnchen auf der BAP-Landkarte. Ideales Festivalwetter, und eine Location auf dem Calwer Markplatz, der genau gerade breit genug war, um die Bühne aufzunehmen und leichtes Gefälle hatte, so daß fast von övverall gute Sicht war. Um 19 Uhr ging es mit den Gästen an, die wie so oft fehlendes spielerisches Können mit Lautstärke kompensierten. Ab 21 Uhr kam W.N. mit für ´ne Moment, im Laufe dieses Stückes kamen die anderen Bandmitglieder auf die Bühne und wurden warmherzig begrüßt, so daß W.N. vermutete, es müsse eine größere Gruppe Exilrheinländer anwesend sein. Sind wir das nicht alle? Die folgenden Stücke waren eine gute Mischung aus uptempo- und langsameren, älteren und neuen Stücken, meist nur mit wenigen Ansagen dazwischen um die Gemeinde "auf Zuch" zu halten. Um so größer war die Überraschung, als vor Shoeshine eine minutenlange Ansage erfolgte, bis W.N. nichts mehr einfiel. O Schreck, Herr Krumminga war weg! Wir wurden noch dreimal gefragt, ob wir allright feelen würden (was der Fall war), frei nach Neil Young. Als Helmut Krumminga wieder an Bord war konnte es weiter gehen. Die Show begeisterte das Calwer Publikum derart, daß es nach den geplanten Zugaben eine weitere einforderte. Kurze Beratung, W.N. verschaffte uns einen Eindruck von seinen Erziehungsqualitäten (vier Pänz!) und die Band spielte noch "Helfe kann Dir keiner" in einer elektrischen Version, was ich schon länger nicht mehr live gehört hatte. Ein schönes Konzert. Zu Beginn waren Bass und Schlagzeug zu dominant, die Stimmen, Jens Streiflings Mundharmonika und die Percussion schlecht zu hören. Im Laufe des Konzerts besserte sich das. Insgesamt hätte etwas weniger Lautstärke auch gereicht. Hermann Hesse (125. Geburtstag) hätte es sicher auch gefallen. Wir haben eine Verabredung mit BAP in Calw zum 250. Geburtstag, aber mit dem 126. wäre ich auch einverstanden.