-Fan-Tourtagebuch
Karlsruhe, 10. November 2001
Ein Bericht von
Thomas Zimmer
(Mitarbeiter der
"Badischen Neuesten Nachrichten")
„Sibbe Jestalte“
sind wieder unterwegs: Gestern abend starteten BAP im Mannheimer Rosengarten die
„Aff un zo“ Tour 01/02. Ein Tag davor, Samstag abend Karlsruhe, Tollhaus.
18.45: Eine Stunde noch bis zum Start der „öffentlichen Probe“ vor rund 500
Fans, die es geschafft haben, sich rechtzeitig eine Karte zu besorgen. Niedecken
und die Band gucken Fussball-Länderspiel. Halbzeitpause, Zeit für ein paar
Fragen. Wolfgang Niedecken ist zufrieden sein, das „Aff und Zo“ Album hat
mühelos die Pole Position der deutschen Album Charts erreicht, die
dazugehörige Single lief ordentlich im Radio. Sicher wissen könne man es ja
nie, meint Niedecken ganz entspannt, mit einer Platzierung unter den ersten 10
habe man schon gerechnet. Aber: „Es gibt so viel gute Musik in Deutschland,
die nicht gehört wird, kann ich Dir sagen...“. Viel Musik hat auch BAP auf
der langen „Liedertafel“ stehen: 28 reguläre Songs und noch 22 weitere auf
der „Reservebank“. Das Programm ändert sich während einer langen Tour (mit
immer noch drei Stunden langen Konzerten) schon mal, so bleibt's auch für die
Band spannend, erklärt Wolfgang Niedecken.
Das Fussballspiel geht weiter, noch eine Stunde bis zum „inoffiziellen
Tourstart“. Kurz nach 20 Uhr sind sie auf der Bühne - und starten ganz
verhalten mit „Wellenreiter“. Und markieren damit gleich ihr Terrain: Die
konsequente Verweigerung, sich irgendwelchen Trends oder Moden anzubiedern. Zwei
straighte Rocker „Hück ess sin Band in der Stadt“ und dann „Let's spend
the Night together“ (Percussionistin Sheryl Hackett darf zum ersten Mal
singen) und die Band ist auf Dienstgipfelhöhe, da kann man dann auch mal ruhig
das Fussballergebnis verkünden und anschliessend wieder einen Gang
runterschalten. „Wat e Johr“ beschreibt das neugewonnene Selbstbewusstsein
dieser auch schon nicht mehr soo neuen Bandbesetzung. In der Tat, diese Leute
platzen fast vor Spielfreude. Helmut Krumminga, der Lange aus Ostfriesland,
versucht an der Gitarre erst garnicht, seinen Vorgänger zu kopieren. Der Mann
hat einen ganz eigenen, erdigen und bluesgetränkten Stil. Auf grosse Gesten an
der Gitarre verzichtet er fast völlig, dafür spielt er gelegentlich
Unerwartetes. Verblüffend beispielsweise das Intro des Klassikers „Verdamp
lang her“. An der anderen Gitarre, am Saxophon, am Gesang, an der
Mundharmonika stellt sich ein wahres Showtalent ins Rampenlicht:
Schwerstarbeiter Jens Streifling aus Borna, inzwischen auch ein wichtiger
Kompositionsfaktor der Band. Und sein alter Bandkollege aus Jugendzeiten Michael
Nass gibt den unaufdringlichen Keyboarder, der den Sound zusammenhält, aber
gänzlich ohne „Mumpf“. „Bahnhofskino“ besipielsweise von 1984. Ein eher
untypisches, sehr melancholisches Stück, relativ selten live gespielt. Wem da
keine Gänsehaut erwächst, der ist entweder tot oder Jazzer. Gleich danach „Amerika“
und „Mayday“ quasi als Kommentare zum 11. September. Keine Predigten zu
diesem Thema, danke. Keine Peinlichkeiten. Der reguläre Set kommt mit Hits wie
„Alexandra“ und „Kristallnach“ in die letzte Runde, der beste
Rock'n'Roll-Maschinenraum, den Deutschland zu bieten hat, Jürgen Zöller und
Werner Kopal an Schlagzeug und Bass prügeln Mannschaft und Publikum nochmal zu
Höchstform. Ja doch, niemand hat die Texte vergessen, die Alten nicht, und die
Jungen haben sie gut gelernt. Und es gibt erfreulich viele Junge im Saal. Und
auch ganz junge, schlafend auf den Schultern ihrer textsicheren, verklärt
blickenden Eltern. Zu Recht, der verklärte Blick. It's only Rock'n Roll“ mag
man nun einwenden. Aber BAP stellt mittlerweile den hierzulande einmaligen Fall
von wirklicher „Street Credibility“ dar. Und auch nach 22 Jahren, behaupte
ich mal frech, haben diese sieben Gestalten ihren kreativen Gipfel noch lange
nicht überschritten. Doch jetzt schon konkurrenzlose Klasse- Westernhagen, der
Rock'n'Roll Schauspieler, wird schon wissen, warum er aufgehört hat.
Eitel Freude, sieben Zugaben, verteilt in die BAP-üblichen drei Blocks. 28
Songs sind gespielt, die 22 von der Reservebank hätte man schon auch gerne noch
gehört. Und vielleicht noch ein paar mehr? Vielleicht gibt's ja schon eine
modifizierte „Liedertafel“, wenn BAP wieder in der Region spielt. Am
9.Dezember in der Badnerhalle in Rastatt.