-Fan-Tourtagebuch
Karlsruhe,
25. März 2006
Europahalle
Fotos von Thomas Guthmann (Freiberuflicher Fotojournalist, Keltern)
Ein Bericht und Fotos von Thomas Zimmer (Freier Journalist, Karlsruhe)
Fotos von der Autogrammstunde von Niko Uhrich
„Nix
wie bessher“
Umjubeltes Greatest Hits Konzert von
BAP in der Europahalle
Einmal im
Leben darf man sich auch eine Werkschau Tour erlauben. BAP mit Greatest Hits
Programm auf Tour, ist die Idee nicht ein wenig nahe an der von Wolfgang
Niedecken so verpönten Nostalgie-Abteilung? Die Idee vielleicht schon, aber
nicht die Umsetzung. Denn was die aktuelle Band auf dem „Dreimal Zehn Jahre“
Album vorgelegt hat, im Konzert setzt sie es fast noch konsequenter in Szene:
Die völlige Entrümpelung der alten Hits, weitgehend befreit vom
Keyboardteppich-Gedöns und Endlosgitarrengegniedel, heruntergetunt auf das
Format einer echten, rohen Rock’n’Roll Band.
Eingestiegen mit Gassenhauern wie „Wahnsinn“ und „Waschsalon“ traut man
sich gleich ans selten gespielte „Ahl Männer aalglatt“, in der
Originalversion produktionstechnisch recht pappig. Aber jetzt pumpt da eine
furztrockene Gitarre durch eine kantig pulsierende Nummer, ganz ohne
Süßstoffbeigaben! Helmut Krumminga zeigt in vier Minuten die ganze Philosophie
seines Gitarrenspiels, und die heißt: Weniger ist mehr. Niedecken, der „Vortänzer,
Vordenker, Vorkoster“ (so stellt ihn Drummer Jürgen Zöller am Schluß vor)
erzählt die Geschichten zu den Songs. Vom Jungen Liebeskranken, der den dritten
Akkord zu Neil Youngs „Cowgirl in the Sand“ suchte, und dabei den ersten BAP
Song „Helfe kann dir keiner“ fand. Überhaupt: Niedecken steht zur hörbaren
Nähe der BAP-Musik zu seinen Idolen. Die Kölner ehren Bob Dylan mit einer
fulminanten Version von „Hurricane“, die LP „Desire“ war schließlich,
die Niedecken 1976 wieder nach sechs Jahren „nur“ Malerei wieder zur Musik
brachte. Den, der hier dreißig Jahre später schier Gestus und His Bobness’
verschlurfte Satzmelodie annimmt. Was auch später im Konzert noch ein paar mal
durchschimmert. Nicht die schlechteste Art, in Würde zu altern.
Auftritt Anne de Wolf, Geigerin. Sie verleiht den jetzt folgenden Songs eine
rustikale Leichtigkeit. Ihr Solo bei „Do kanns zaubere“ setzt frische
Frühlingsluft anstelle von Pathos, allein das großmächtige Bühnenlicht
schwillt schon sehr ergriffen. Aber, Himmel: Das ist eine
Jubiläumsveranstaltung, da darf schon mal ein Kronleuchter an die Decke
gehängt werden. Und mit „Nix wie bessher“ haben sich BAP nach ihrer ersten
Umbesetzung 1996 einen Klassiker geschaffen, der exemplarisch die Qualitäten
dieser Band steht: Eingängig und mitsingbar, erzählt der Sing eine Geschichte,
die von einem „Früher“ spricht, dessen Verschwinden nicht bejammert oder
verklärt wird. Da reicht die Kölner Südstadt von damals bis in die Karlsruher
Europahalle von heute. BAP ist nicht nur der Storyteller Niedecken, es ist auch
diese kraftvolle, in dieser Besetzung „kraftvollste“ Band, die bei „Röwwer
noh Tanger“ die Muskeln spielen lässt. Da wird Krummingas auf CD eher
zurückhaltendes Solo zur geplanten Eruption, ohne sich in Daddeleien zu
verlieren, da bläst Michael Nass naturähnliche Hammond-Sounds aus umnebelter
Orgelburg übers Gelände, und da versucht Jürgen Zöller auf der wuchtigen
Basslinie von Werner Kopal reitend sein Schlagzeug zu Kleinholz zu zerlegen. Und
wenn Helmut Krumminga in „Nemm mich mit“ ein Kiss-Zitat einbaut, mag man das
als Symbol für den hohen Spaßfaktor sehen, den die Herren beim Erzeugen ihrer
Musik haben.
Auf der Zielgeraden spuckt die BAP-Jukebox im letzten Drittel des Konzertes
alles aus, was der geneigte Hörer braucht. Der wirft dafür dem Sänger bei „Aff
und zo“ mindestens ein halbes Dutzend Schals zu, besteht spielend das
Kölsch-Abitur, indem er „Wellenreiter“ komplett allein singt, bei „Verdamp
lang her“ den Hallenboden beben läßt und auch sonst in der Rezeption des
Gebotenen dem Kölner Publikum strebsam nacheifert. Nach fast dreieinhalb
Stunden ist die Begeisterung gewaltfrei nur durch eine Version von Springsteens
„Hungry Heart“ zu beenden, die so anrührend schööön (nicht kitschig!)
ist, dass nun wirklich nichts mehr kommen kann.
Ein Bericht von Hans-Georg Krumm
"Auch Karlsruhe besteht das Kölsch Abitur"
Auch in Karlsruhe stößt die
Greatest Hits Tour auf großes Interesse. So hatte ich, wie schon in Mannheim,
das Gefühl, das mehr Zuschauer in die Europahalle kamen, als vor 2 Jahren bei
der Sonx Tour. Und auch Wolfgang Niedecken äußerte sich nachmittags beim
Signieren in der Karlsruher Stephanus-Buchhandlung äußerst zufrieden
bezüglich des bisherigen Verlauf der Tour. Die Stimmung war ebenfalls schon vor
Beginn prima, wenn auch nicht ganz so euphorisch wie in Mannheim. Egal: nach
Intro und dem Doppelpack "Wahnsinn" / "Waschsalon" stand
einem wunderschönen Abend nichts mehr im Weg, zumal Schlagzeuger Jürgen
Zöller als Wahl-Durlacher ein Heimspiel hatte. Klar, dass daher bei "Diss
Naach" der Jürgen "den Gang reinschmeißen" musste.
Die Band ging wiederum äußerst relaxt zu Werke und WN schaffte es wiederum mit
seinen schönen Geschichten zu den Songs das Publikum mit auf eine Zeitreise
durch 30 Jahre Band-Geschichte mitzunehmen. Beginnend mit der Küche, in der WN
1976 beim Versuch "Cowgirl in the sand" ohne Platte herauszuhören
fast aus Versehen "Helfe kann dir keiner" schrieb, über das Chlodwig
Eck, in der die Band zu Anfangstagen fast wohnte und Stoff für die Klassiker
"Ruut-Wieß-Blau quergestreifte Frau" und den "Jupp" bot,
bis hin zum "Chippendale Desch", der das Cover des "Salzjebäck
un Bier" Album ziert und später, auf dem "Aff un Zo" Album als
eigenständiger Song über das Leben von WNs Mutter erzählt. Und augenzwinkernd
wurde auch die Rock Geschichte neu geschrieben: Elvis starb nicht etwa in
Graceland, sondern an einer Ampel in Köln, wie WN zu dem Song "Dreimohl 10
Jahre" zu berichten weiß, und die Ähnlichkeit zwischen "Stell der
vüür" und "Hurricane" weißt daraufhin, dass Bob Dylan vor der
Aufnahme des "Desire" Albums viele BAP Songs gehört haben muss.
Die Band ebenfalls in bester Spiellaune, vor allem Helmut gefiel mir wieder
ausnehmend gut. Mördersoli bot der Gute und mal wieder borgte er sich das Kiss
- "I was made for loving you" Riff für "Nemm mich met" aus.
Da störte es auch nicht, dass die Keyboards gegenüber Mannheim wieder mehr in
den Vordergrund gemischt worden waren, zumal das Karlsruher Konzert noch etwas
ganz Besonderes bot: die Berlinerin Anne de Wolf, normalerweise bei
"Rosenstolz" auf Tour dabei, hatte an diesem Abend Zeit, um sowohl mit
ihrer Geige, als auch mit ihrer Stimme (OK, und ihrem Outfit :-) ) das Publikum
noch mehr zu begeistern, als es ohnehin schon war. Und das hatte sich ohnehin
einiges einfallen lassen, wie z.B. das Transparent "Sick 30 Johre: Habemus
BAPam". Und bei "Aff un Zo" flogen so viele Schals auf die
Bühne, dass WN sie diesmal gar nicht alle tragen konnte und auch die Rückgabe
der Schals auf nach dem Konzert vertagen musste.
Klar, dass auch in Karlsruhe das Publikum das Kölsch Abitur bestehen musste:
Refrain Singen von "Jraaduss" zum Einstimmen, gefolgt vom alleinigen
Absingen des "Wellenreiters". Bestanden hat Karlsruhe schon, ich denke
aber, dass der Notenschnitt im Vergleich zu Mannheim schlechter ausfiel. Zu den
Zugaben kam Local-Hero Jürgen Zöller dann mit KSC Trikot auf die Bühne und
wie üblich hatte die Band Mühe, die Fans nach 3 Stunden zum Gehen zu bewegen.
Mit der wunderschönen "Devils & Dust" Version von "Hungry
Heart" klang dann das Konzert aus, und ich denke, dass jeder froh war, bei
dieser Zeitreise dabei gewesen zu sein.