BAP-Logo-Fan-Tourtagebuch

Siegen, 13. November 2001

Fotos von Jürgen Reichel (freier Fotograf)

Ein Bericht von Ralf-Stefan Triesch
(Lokalredaktion "Dill-Zeitung")

BAP überzeugte mit neuem Programm und alten Tugenden 2800 Fans 
„Aff und zo“ erlebt die Siegerlandhalle echte Sternstunden 

Ganz schön mutig ist BAP-Chef Wolfgang Niedecken. Ein Konzert mit einem extrem langsamen,, nur von der Akustikgitarre begleiteten Titel wie „Wellenreiter“ zu beginnen, können sich nur wenige Rockbands leisten. BAP kann’s, wie das Konzert in der fast ausverkauften Siegerlandhalle am Dienstagabend bewies. Ein Einheizer ist nicht erforderlich, um die rund 2800 Fans auf Betriebstemperatur zu bringen. „Wellenreiter“ ist ein uralter Identifikationstitel für langgediente, zum Teil in Ehren ergraute Anhänger der Kölschrock-Dinos, und da wundert es nicht, dass 80 Prozent des Publikums die Strophen des Hits aus den 80-er Jahren begeistert mitsingen. „Ihr seid erstaunlich textsicher“, staunt der „Maitre“, der selbst hier und da noch einen Textfetzen verschluckt oder vergisst. 
Macht nichts, die „Aff un zo“-Tour hat ja gerade erst begonnen. Und kleine Unsicherheiten in der Lyrik machen die „Sibbe Jestalte“ – unter diesem Namen absolvierte die Band eine kurze Testtour – durch ihre ungeheure Spielfreude wett. Der Zuhörer hat den Eindruck, dass da sieben Kumpels das tun, was sie am liebsten machen: nämlich gemeinsam auf der Bühne abrocken.
Kracher und Balladen
Und so lässt auch der erste Kracher nicht lange auf sich warten. Bei „Eddies Radio Show“ von der aktuellen CD schnellen die Hände der Fans ohne jegliche Aufforderung in die Höhe und klatschen rhythmisch mit, auch der Klassiker „Ne schöne Jroos“ wird begeistert gefeiert, bevor bei „Widderlich“ und „Alexandra nit nur do“ endgültig die Post abgeht. 
Für die Ausgewogenheit des aktuellen Programms spricht die Tatsache, dass Niedecken und Co. scheinbar wahllos Balladen und ruhigere Stücke (wunderschön: „Do kanns zaubre“) einstreuen, den Spannungsbogen aber nie unterbrechen. Bei „Amerika“, das angesichts der Ereignisse in den nur scheinbar unverwundbaren Vereinigten Staaten aktueller scheint den je, werden die Feuerzeuge entfacht, wenig später folgt das eingängigste und mitreißendste Stück des aktuellen Silberlings: „Chippendale Desch“. Anhand des zunächst ungeliebten Möbelstücks rollt Niedecken die persönliche Geschichte seiner im Vorjahr verstorbenen Mutter und damit die Geschichte vieler Deutscher auf. Der Nachruf gerät persönlich, positiv und voller Power, weil – wie der Meister verrät – „meine Mutter als lebenslustiger Mensch mir ein trauriges Lied nie verzeihen würde“. 
Traurigkeit nein, Nachdenklichkeit ja. Das ist das Motto der aktuellen Tour, in der sich der einstige Volksredner Niedecken erstaunlich zurück hält. Auch Stellungnahmen zum aktuellen Weltgeschehen fehlen fast völlig – allerdings weist der 50-Jährige darauf hin, dass einige Songs von anno dazumal („Kristallnaach“) heute aktueller denn je sind. 
Der Bundesverdienstkreuz-Träger predigt nicht mehr, sondern lässt Bilder und Geschichten sprechen, macht seine Kritik – anders noch als früher – an kleinen Storys fest und überzeugt durch wunderschöne Erzählungen; wie zum Beispiel der Geschichte des lateinamerikanischen Schuhputzers Ramon, der mit seinem „Shoeshine“-Angebot beim Turnschuhe tragenden Niedecken zwangsläufig abblitzen muss. „Rita, mir zwei“ ist eine Erinnerung an eine lang vergessene Freundin und kommt ebenso soft daher wie „Dir allein“, wenngleich im aktuellen BAP-Programm die rockigeren Stücke eindeutig überwiegen. Dies kommt Gitarrist Helmut Krumminga entgegen, der auf der aktuellen Tour endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers Klaus Heuser herausgetreten ist. Manche Riffs spielt er (fast) genau, wie es „Major“ 15 Jahre lang getan hat, andere wieder tragen eindeutig die Handschrift des Neuzugangs, der mehr und mehr an Profil gewinnt. 
Die Rolle des Publikumslieblings teilt sich Krumminga mit Tausendsassa Jens Streifling, der wie ein Derwisch tanzend Mundharmonika spielt und – wenn’s denn sein muss – mitten in einem Solo von der Klarinette zum Saxophon wechselt. Klasse!
Drummer Klaus Zöller und Bass-Mann Werner Kopal bleiben als Rhythmus-Section ebenso im Hintergrund wie der hervorragende Keyboarder Michael Nass, während Percussionistin Sheryl Hackett immerhin bei „Let’s spend the night together“ und dem Rock’n’Roll-Medley inklusive „Twist&Shout“ ihre stimmlichen Qualitäten demonstrieren darf. 
Die Rock’n’Roll-Klassiker, eingeleitet vom unvermeidlichen „Waschsalon“, bilden wie immer bereits eine Zugabe der Kölner, die pünktlich nach zwei Stunden das Konzert-Ende androhen sich aber – mit wachsender Begeisterung, wie es scheint – vom Publikum noch für fast 90 Minuten auf die Bühne klatschen lassen. Allerdings sind Wartezeiten vorprogrammiert, wenn die begeisterten Massen „Oh, wie ist das schön“ schmettern und sich – wie in Siegen geschehen – auch von der auf die Bühne zurückkehrenden Band nicht bremsen lassen. Bei BAP-Konzerten ist die Gänsehaut eben im Eintrittspreis enthalten. 
Und ohne Zugaben geht’s da halt nicht – vor allem dann nicht, wenn die Fans „Verdamp lang her“ noch nicht gehört haben. Auf den Gedanken, den Hit, der vor 20 Jahren den bundesweiten BAP-Boom einleitete, aus dem Programm zu verbannen, ist niemand gekommen. So mutig ist Niedecken denn auch wieder nicht. 
Fazit: Ein denkwürdiges Konzert einer Combo, die alles andere als „Irjenden Rock’n’Roll-Band“ ist und leider nur „Aff un zo“ in der Siegerlandhalle Station macht.