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Wolfgang Niedecken:
Vor ungefähr zwei Jahren saß mein alter Freund Julian Dawson bei uns am
Küchentisch und meinte, ich sollte unbedingt mal ein Akustik-Album mit ganz
wenigen, speziell zu diesem Zweck ausgewählten amerikanischen Musikern aufnehmen
- und zwar in Woodstock.
Je mehr ich von da an über diese Idee nachdachte, desto klarer wurde mir, dass –
falls ich jemals ein solches Album aufnehmen würde – es sich um eine Auswahl von
Liedern handeln müsste, die ich im Laufe von fast zweieinhalb Jahrzehnten für
die Mutter meiner Töchter geschrieben hatte. Aber, wie das manchmal so läuft,
fand ich nie den richtigen Zeitpunkt, dieser Idee mal etwas mehr Zeit zu widmen.
Es war einfach immer zu viel los.
Erst in der Phase nach dem 2. November 2011, entwickelte sich das Hirngespinst
so langsam zu einer Herzensangelegenheit - wahrscheinlich, weil ich immer öfter
darüber nachdachte, dass ich - falls ich den Schlaganfall nicht überlebt hätte -
etwas sehr Wertvolles versäumt hätte.
Aus dem Krankenhaus entlassen, fing ich an, in meinen Texten herumzustöbern, um
wenigstens schon mal die in Frage kommenden Songs rauszusuchen. Nach und nach
kristallisierte sich sogar eine vorläufige Songauswahl heraus:
Angefangen mit dem allerersten, damals noch streng geheimen Song für Tina.
“Rääts un links vum Bahndamm“ bis zum vorerst letzten „Waat ens jraad“, brauchte
ich nur noch hier und da das eine oder andere Lied wegzulassen und schon war die
Story erzählt. „It`s all in the Songs!“
Schließlich habe ich Julian eine Mail geschickt, er solle mir doch mal Näheres
über das Studio in Woodstock und die für die Session in Frage kommenden Musiker
verraten. Er antwortete, dass Stewart Lerman mit dem er schon wiederholt
gearbeitet habe, der Toningenieur sein sollte, dass zwei verschiedene Studios in
Woodstock zur Auswahl ständen und die Hauptmusiker Larry Campbell, der das
vergangene Jahrzehnt in Bob Dylans Band gespielt hatte und Steuart Smith sein
sollten. Mit Steuart, mittlerweile seit etlichen Jahren im Dienste der Eagles,
hatte ich bereits vor Ewigkeiten, als er noch in Julians Band spielte, im Kölner
E-Werk „When I paint my Masterpiece“ zum Besten gegeben. Und natürlich würde er
dieses Concept-Album liebend gerne produzieren wollen.
Dann ging alles ganz schnell: Am 1. September 2012 spielte ich mit BAP das
Tourabschluss-Konzert auf der Loreley und tags darauf, saß ich bereits mit
Julian bei uns in Köln im Garten um diverse Terminpläne aufeinander abzustimmen.
Hierbei wurde uns schlagartig bewusst, dass wir entweder direkt im Dezember oder
aber erst im Verlauf des kommenden Frühsommers zuschlagen konnten. „It`s now or
never“ haben wir uns gesagt und unmittelbar angefangen zu planen.
Und so sind wir nach meiner letzten „Für`ne Moment“- Lesung, Anfang Dezember
nach New York geflogen, von da aus nach Woodstock gefahren und haben dann im „Dreamland“,
einer säkularisierten, zum Studio umgebauten Kirche, losgelegt. Viel Spaß haben
wir gehabt.
Die Mannschaft war von Julian optimal zusammengestellt und als ich dann auch
noch erfuhr, dass Stewart Lerman mein aktuelles Lieblingsalbum, nämlich Patti
Smith`s „Banga“ aufgenommen hat, war ich mir sehr sicher, dass mir hier eine
Gelegenheit geboten würde, die man wohl getrost als einmalig bezeichnen darf.
Wir haben die Lieder chronologisch aufgenommen, vom als Prolog gedachten „Zosamme
alt“, das ich erst im Sommer 2012 in der Türkei geschrieben hatte, bis zu
„Alles, wat ich zo jähn wöhr“ („All I really wanna do“). Unmengen besonderer
Augenblicke. Einer mit Sicherheit der, als die Woodstock Legende John Sebastian
auftauchte, um eben diesen „Official Hidden Track“ mit uns live einzuspielen.
Zum Abmischen sind wir dann nach Manhattan ins „Electric Lady“ umgezogen und
wenn man weiß, dass Jimi Hendrix dieses Studio nach seinen Vorstellungen
designen ließ und wer hier inzwischen alles gearbeitet hat, kann man sich
vermutlich ausmalen, wie ehrfürchtig wir durch diese heiligen Hallen geschlichen
sind. Kurz vor Weihnachten waren wir zurück in der Heimat und so manches Mal
habe ich mich seitdem ernsthaft gefragt, ob ich das nicht doch alles nur
geträumt habe. |